Frage 3: Die Europäische Union wird von vielen Bürgern als zu bürokratisch und nicht greifbar empfunden. Viele bemängeln ein Demokratiedefizit und haben das Gefühl, zu wenig Einfluss ausüben zu können. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um dem entgegenzuwirken? Glauben Sie, dass es institutioneller Reformen bedarf? Wenn ja, welcher?

Für viele BürgerInnen macht die EU vieles leichter und reibungsloser und man merkt es gar nicht mehr. Es funktioniert einfach. Sicherheits- und Qualitätsstandards sind dafür ein Beispiel, elektronischer Zahlungsverkehr, keine Roaming-Gebühren mehr und vieles mehr. Bürokratie zeigt sich v.a. da, wo Anträge gestellt werden, um EU-Mittel abzurufen, z.B. . in der Landwirtschaft, oder wenn Ausschreibungen gemacht werden (müssen). Man muss sich aber immer wieder den Sinn vieler als bürokratisch empfundener Regeln bewusst machen: wer Geld von der EU bekommt, soll nachweisen, dass er es bekommt, weil er EU-Politik erfüllt. Ausschreibungsregelungen führen zu mehr Wettbewerb und oft – nicht immer – zu besseren Ergebnissen. Es ist eine Abwägung, den richtigen Mittelweg zu finden, und das Pendel schlägt mal in die eine und mal in die andere Richtung aus. Das immer wieder mal zu korrigieren, ist Aufgabe der Politik, die dafür bei den Bürgern genau hinhören muss, um herauszufinden, wo das Bürokratiependel gerade zu weit ausschlägt.

Demokratie ist anstrengend. Bürgerbeteiligung in einer Demokratie heißt, dass die Informationen frei fließen müssen, verlangt von Bürgern aber auch, sich ausgiebig zu informieren. Dass der Wunsch nach Information und der Wunsch, sich zu beteiligen, groß ist, sah man an der Diskussion um Freihandelsabkommen und internationale Schiedsgerichte. Da, wo der Wunsch nach Beteiligung da ist, müssen auch Bürgerentscheide möglich sein, auch wenn die Ergebnisse – wie beim Brexit – weh tun können. Am problematischsten für die Entwicklung der Demokratie ist meines Erachtens die oft geringe Wahlbeteiligung, z.B. bei den Europawahlen und auch bei Referenden. Eine Möglichkeit, dies zu ändern, sehe ich darin, das Wahlalter zu senken und die erste Wahl noch während der Schulzeit zu ermöglichen, begleitet durch Diskussionen über Politik an der Schule. Wer sich als Schüler nicht für Politik interessiert hat, wird in den anstrengenden ersten Jahren der Ausbildung, des Studiums und der Berufstätigkeit nicht unbedingt Interesse für Politik entwickeln, und mit einer Senkung des Wahlalters gäbe es die Chance, lebenslanges Interesse an Politik zu wecken. Ein weiteres Instrument, um Demokratie als tragendes Instrument einer lebendigen EU weiter zu entwickeln, ist die faire und sachliche Auseinandersetzung über Politik, das Verzichten auf persönliche Diffamierungen, das Einhalten von „Stil“ in der politischen Debatte und eine ausgewogene Berichterstattung in allen Medien. Das lässt sich allerdings nicht mit Gesetzen von oben herab verordnen, das muss auf allen Ebenen und bei allen Beteiligten selbst umgesetzt werden. Und da gibt es leider noch massive Defizite.