Dialog zur psychischen Gesundheit – der Weg (zurück) in den Beruf

Anlässlich des World Mental Health Day haben wir am 10. Oktober 2020 mit der Veranstaltung ,,Psychisch erkrankt – Wie gelingt der Weg (zurück) in den Beruf?‘‘ die Vielschichtigkeit und Aktualität dieser Problematik thematisiert. Meine Kolleginnen Barbara Fuchs, wirtschaftspolitische Sprecherin, und Claudia Köhler, haushaltspolitische Sprecherin, ergänzten dabei meine sozialpolitische Sichtweise durch betriebliche Erfahrungen und finanzielle Betrachtungen. Zusätzlich zu den eingeladenen Betroffenen und Expert*innen gab es zu unserer großen Freude auch viele Online-Teilnehmer*innen.

Frau Ilona Englert, Leiterin der Rehabilitationseinrichtung St. Michael berichtete über die Erfolge und Herausforderungen ihrer Arbeit und schilderte das Schicksal zweier junger Rehabilitanden. Etwa 18 Millionen Menschen sind in Deutschland jedes Jahr von psychischen Krankheiten betroffen[1]. Die Wahrscheinlichkeit eines Suizids ist bei Menschen mit unbehandelten psychischen Erkrankungen wesentlich höher, als bei Menschen ohne psychische Erkrankungen. Umso wichtiger sind die Unterstützung und Rehabilitation dieser Menschen mit einer durchgängigen ärztlichen Betreuung und einem personalisierten Plan. Das Haus St. Michael wurde 1977 als eine der bundesweit ersten Einrichtungen dieser Art gegründet. Heute ist St. Michael eine von acht Einrichtungen für berufliche und medizinische Rehabilitation in Bayern und das Teilnehmeralter liegt hauptsächlich zwischen 20 und 30 Jahren. Frau Englert sprach auch einige Probleme an, wie etwa Fallpauschalen, die zu immer kürzeren Klinikaufenthalten führen und forderte ein schnelleres Bearbeitungsverfahren zur schnelleren Einweisung in eine Rehaeinrichtung, sowie mehr Verständnis der Umwelt. Teilweise dauert es von der Entscheidung, dass eine Reha im Haus St. Michael geeignet wäre, bis zur Aufnahme und dem Beginn der Behandlung zwischen drei und vier Monaten. In Zeiten von Corona hat sie zusammen mit ihrem Team eine digitale Reha und andere Angebote umgesetzt, die auch in Zukunft als Ergänzung zu präsenten Angeboten dienen können.

Die Diplom Psychologin Nicole Scheibner, unsere weitere Inputgeberin, berät im Rahmen Ihrer Tätigkeit im EO Institut Arbeitgeber*innen und -nehmer*innen im Umgang mit psychischen Krankheiten. Die Ursache für die steigenden Zahlen von psychischen Krankheiten sieht sie unter anderem in der geforderten ständigen Erreichbarkeit und den allgemein hohen Erwartungen des Arbeitsmarktes. Obwohl psychische Krankheiten im Beruf ein Tabuthema sind, sieht sie eine steigende Tendenz der Unternehmen, sich zu informieren und aktiv zu werden. Neben dem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM), gibt es auch Beratungsstellen für kleine und mittelständische Unternehmen und Eingliederungszuschüsse als finanziellen Ausgleich. Betroffenen empfiehlt sie ein offenes Gespräch mit der/dem Arbeitgeber*in, jedoch ist dies für junge Berufseinsteiger*innen oder Menschen mit befristetem Arbeitsverhältnis riskant. Menschen aus dem Umfeld von psychisch Kranken rät Nicole Scheibner dazu in einem vertraulichen Gespräch Hilfe anzubieten und auf auffällige Verhaltensänderungen zu achten.

Im Dialog mit den anwesenden Gästen und den Online-Teilnehmer*innen kamen wichtige Impulse und es konnten viele Fragen geklärt werden. Claudia Köhler brachte ein, dass es sich auch aus wirtschaftlicher Sicht extrem ,,lohnt‘‘ in die Menschen und ihre psychische Gesundheit zu investieren, da es sonst etwa durch frühe Renten extrem teuer wird. Uns als Politikerinnen wurde mitgegeben, flexible Arbeitsmodelle und Teilzeitausbildungen zu fördern und durch Veranstaltungen wie diese eine Sensibilisierung für das Thema zu erreichen. Wir alle können daran arbeiten, Vorurteile abzubauen und psychische Krankheiten offen anzusprechen!


[1] DGPPN (2018): Psychische Erkrankungen in Deutschland: Schwerpunkt Versorgung, eine Publikation der DGPPN. https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/f80fb3f112b4eda48f6c5f3c68d23632a03ba599/DGPPN_Dossier%20web.pdf, S.10.