Digitale Barrierefreiheit

Nicht nur bauliche Barrieren, sondern auch kommunikative Barrieren für Menschen mit Sinnesbehinderung erschweren in beträchtlichem Ausmaß die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung an den unterschiedlichsten Lebensbereichen der Gesellschaft. Um endlich umfassend Barrierefreiheit in Bayern durchzusetzen, initiierte Kerstin Celina, Sprecherin für Soziales, Inklusion und psychische Gesundheit der grünen Landtagsfraktion, unter dem Motto „No limits!“ eine Tour durch Bayern zu verschiedenen Aspekten der Barrierefreiheit.

Die erste, digitale Veranstaltung im Rahmen der Tour war zusammen mit dem Sprecher für Digitalisierung, Benjamin Adjei, MdL, dem Thema „Barrierefrei im digitalen Raum“ gewidmet. Drei Startups stellten ihre innovativen Losungen zur Überwindung von Barrieren vor: Eye able der Web Inclusion GmbH aus Margetshöchheim, VerbaVoice aus München und Mivao aus Augsburg.

Wie sah der Weg von der Idee zum fertigen Produkt aus? Welche Barrieren hatten sie als Startups zu überwinden? Welche innovativen Lösungen zur Barrierefreiheit bieten sie an? Welche Fördermittel gibt es in Bayern? Und inwiefern ist die Mitwirkung von Betroffenen bei der Weiterentwicklung von digitalen Tools zum Abbau von Barrieren wichtig?

Das Bayerische Digitalgesetz greift mit Blick auf Inklusion und digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung sowie gesellschaftliche Teilhabe durch Digitalisierung eindeutig zu kurz, so Kerstin Celina. Und der Freistaat Bayern ist weit davon entfernt, ein Vorbild für die Wirtschaft bei der Umsetzung von Barrierefreiheit zu sein. 

Benjamin Adjei betonte den digitalen Wandel der Gesellschaft. Dabei wird Digitalisierung meistens als wirtschaftliche Frage und nicht als gesamtgesellschaftliche Herausforderung betrachtet. Teilhabe, Souveränität und Selbstbestimmung Aller müssen in der digitalen Gesellschaft von vornherein mitgedacht werden. Die Digitalisierung bietet zweifelsohne Vorteile, um Barrieren zu überwinden, kann aber auch zu Ausgrenzung führen, so Adjei. Durch den digitalen Wandel dürfen keine neuen Barrieren aufgebaut werden, alle sollen davon profitieren. Dies proaktiv zu gestalten ist vor allem Aufgabe der Politik.

Vor eineinhalb Jahren wurde von Oliver und Tobias Greiner die Inclusion GmbH in Margetshöchheim mit dem Ziel, Internet für alle – auch Menschen mit Sehbehinderung – zugänglich zu machen, gegründet. Leidglich 2 % der Websiten sind barrierefrei. Die Idee zu eye able entstand durch einen gemeinsamen Freund, der aufgrund seiner Sehbehinderung das Internet nicht mehr nutzen konnte und sein Studium abbrechen musste. Durch intelligente Schriftverzögerung, Kontrastmodus, Vorlesefunktion (mit Tastatur bedienbar), Farbschwächungsfilter, Nachtmodus u.a.m. kann das Internet uneingeschränkt genutzt werden. Das Tool lässt sich problemlos auf jeder Website im Browser installieren. Die Mitwirkung von Betroffenen war und ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der Software, wie z. B. durch die Einbeziehung der Blindenstiftung in Würzburg.

Sprache barrierefrei weit gedacht: Das ist das Motto der VerbaVoice GmbH in München, vertreten durch den Geschäftsführer Stephan Wiedemann. Das vor zehn Jahren gegründete Sozialunternehmen bietet digitale sprachliche Barrierefreiheit für Alle an: durch Online-Gebärdensprachdolmetscher*innen und Online-Verschriftlichung für Gehörlose, oder durch Simultandolmetschen in Leichte Sprache oder in Fremdsprachen für Migrant*innen. Die Plattform ermöglicht es, Signale auszugeben und in das System einzuspeisen.  Ausgangspunkt für die Entwicklung der Software waren gehörlose Schüler*innen und gehörlose Studierende. Ein großes Problem ist die Finanzierung von Sozialunternehmen, die anders funktionieren als marktwirtschaftlich orientierte Unternehmen. VerbaVoice ist komplett fremd finanziert. Gebärdensprachverdolmetschung und Verschriftlichung der grünen Online-Veranstaltung wurden durch die VerbaVoice GmbH erbracht.

An Menschen, die aufgrund von Autismus, ADHS oder kognitiven Einschränkungen viel Struktur brauchen, um im Alltag zurechtkommen, wendet sich die digitale Lösung von Mivao aus Augsburg. Die Gründer*innen Margareta und Michael Fürmann haben eine Website und eine dazugehörige App für die Erstellung von flexiblen, individuell gestaltbaren Tagesplänen zur Strukturierung der Tagesabläufe entwickelt. Website und App sind bewusst reizarm gestaltet und leicht bedienbar. Sie bedeuten eine große Entlastung für die Helfer*innen. Erklärtes Ziel ist die Förderung der Selbstbestimmung der Betroffenen. Mivao wurde 2016 im Rahmen eines Startup-Förderprogramms finanziert und arbeitet eng mit den Nutzer*innen zusammen, um das Produkt auf die Bedarfe der Zielgruppen abzustimmen. Die Idee dazu entsprang einer Selbsthilfegruppe in Augsburg.

Fazit der Veranstaltung war u.a., dass die Digitalisierung große Chancen für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung bietet Voraussetzung ist ein ausreichendes Netz und eine entsprechende finanzielle Ausstattung. Vor allem sollten Menschen mit Behinderung eigene Startups gründen.