Barrierefrei im digitalen Raum

  • am 25. April 2022, online, mit Benjamin Adjei, MdL, und Kerstin Celina, MdL

Teilhabe durch digitale Innovationen von Startups

Nicht nur bauliche, sondern auch kommunikative Barrieren für Menschen mit Sinnesbehinderung erschweren die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung an den unterschiedlichsten Lebensbereichen der Gesellschaft. Drei Startups stellten ihre innovativen Lösungen zur Überwindung von Barrieren vor:

  • Tobias Greiner, Mitgründer der Web Inclusion GmbH aus Margetshöchheim
  • Stefan Wiedemann, Geschäftsführer von VerbaVoice aus München und
  • Margareta und Michael Fürmann, Gründer*innen von Mivao aus Augsburg.

Wie sah der Weg von der Idee zum fertigen Produkt aus? Welche Barrieren hatten sie als Startups zu überwinden? Welche innovativen Lösungen zur Barrierefreiheit bieten sie an? Welche Fördermittel gibt es in Bayern? Und inwiefern ist die Mitwirkung von Betroffenen bei der Weiterentwicklung von digitalen Tools zum Abbau von Barrieren wichtig? Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussion.

Abbau von Barrieren durch den digitalen Wandel

Laut Benjamin Adjei wird Digitalisierung meistens als wirtschaftliche Frage und nicht als gesamtgesellschaftliche Herausforderung betrachtet. Teilhabe, Souveränität und Selbstbestimmung Aller müssen in der digitalen Gesellschaft von vornherein mitgedacht werden. „Die Digitalisierung bietet zweifelsohne Vorteile, um Barrieren zu überwinden, kann aber auch zu Ausgrenzung führen“, so Adjei. Durch den digitalen Wandel dürfen keine neuen Barrieren aufgebaut werden, sondern alle sollen davon profitieren. Dies proaktiv zu gestalten ist die Herausforderung für die Politik. Das Bayerische Digitalgesetz greift mit Blick auf Inklusion und digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung sowie gesellschaftliche Teilhabe durch Digitalisierung eindeutig zu kurz.

Uneingeschränkte Nutzung des Internets für Menschen mit Sehbehinderung

Vor eineinhalb Jahren wurde die Inclusion GmbH in Margetshöchheim gegründet mit dem Ziel, Internet für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich zu machen. Lediglich 2 % der Websiten sind barrierefrei. Durch intelligente Schriftverzögerung, Kontrastmodus, Vorlesefunktion, Farbschwächungsfilter, Nachtmodus u.a.m. kann das Internet mit eye able uneingeschränkt genutzt werden. Das Tool lässt sich problemlos auf jeder Website im Browser installieren. Die Mitwirkung von Betroffenen war und ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der Software, wie z. B. die Einbeziehung der Blindenstiftung in Würzburg.

Digitale sprachliche Barrierefreiheit mit VerbaVoice

Sprache barrierefrei weit gedacht: Das ist das Motto der VerbaVoice GmbH in München. Das vor zehn Jahren gegründete Sozialunternehmen bietet digitale sprachliche Barrierefreiheit für Alle an: durch Online-Gebärdensprachdolmetscher*innen und Online-Verschriftlichung für Gehörlose oder durch Simultandolmetschen in Leichte Sprache oder in Fremdsprachen für Migrant*innen. Ausgangspunkt für die Entwicklung der Software waren gehörlose Schüler*innen und Studierende. Ein großes Problem ist die Finanzierung von Sozialunternehmen, die anders funktionieren als marktwirtschaftlich orientierte Unternehmen. VerbaVoice ist komplett fremd finanziert. Gebärdensprachverdolmetschung und Verschriftlichung unserer Veranstaltung wurden durch die VerbaVoice GmbH erbracht.

Den Alltag strukturieren durch Mivao

An Menschen, die aufgrund von Autismus, ADHS oder kognitiven Einschränkungen viel Struktur brauchen, um im Alltag zurechtkommen, wendet sich die digitale Lösung von Mivao aus Augsburg. Mit einer Website und der dazugehörigen App für die Erstellung von flexiblen, individuell gestaltbaren Tagesplänen zur Strukturierung der Tagesabläufe werden Betroffene und Helfer*innen entlastet. Website und App sind bewusst reizarm gestaltet und leicht bedienbar. Erklärtes Ziel ist die Förderung der Selbstbestimmung der Betroffenen. Mivao wurde 2016 im Rahmen eines Startup-Förderprogramms finanziert und arbeitet eng mit den Nutzer*innen zusammen, um das Produkt auf die Bedarfe der Zielgruppen abzustimmen. 

Fazit der Veranstaltung war u.a., dass die Digitalisierung große Chancen für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung oder Beeinträchtigung bietet. Voraussetzung ist ein ausreichendes Netz und eine entsprechende finanzielle Ausstattung. Vor allem sollten Menschen mit Behinderung eigene Startups gründen.