Barrierefrei im Öffentlichen Dienst

  • am 26. September 2022 in Hof, mit Elmar Hayn, MdL, Anna Schwamberger, MdL, und Kerstin Celina, MdL

Der öffentliche Dienst in Bayern: kein Vorbild für Barrierefreiheit

Wie kann Bayern Vorreiter für Barrierefreiheit im öffentlichen Dienst werden? Welche besonderen Bedürfnisse haben Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben? Wo liegen die Pflichten der Arbeitgeber*innen?  Zu diesen und anderen Fragen diskutierten in Hof die Gäste mit  

  • Wolfgang Kurzer, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Schwerbehinderten-vertretungen der obersten Landesbehörden des Freistaates Bayern (AGSV Bayern)
  • Stefan Memmel, IT-Servicedienst der Hochschule für angewandte Wissenschaft Würzburg-Schweinfurt

In Bayern stagniert die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung im öffentlichen Dienst bei etwas über 5% und erfüllt damit das gesetzliche Mindestmaß, aber auch nicht mehr. Das ist nicht zufriedenstellend. Auch unter den Arbeitssuchenden befinden sich mehr Schwerbehinderte als Menschen ohne Behinderung. Im Vergleich mit anderen Bundesländern zeichnet sich für Bayern erheblicher Nachholbedarf ab.  „Eines der größten Hindernisse dürfte dabei das Vorurteil sein, Menschen mit Behinderung seien weniger leistungsfähig als Menschen ohne Behinderung“, so Elmar Hayn.

Potenziale für Inklusion werden nicht genutzt

Aus den Erfahrungsberichten der Teilnehmer*innen wurde schnell deutlich, dass Inklusion am Arbeitsplatz immer noch vom persönlichen Engagement einzelner Kolleg*innen abhängt. Es mangelt hier definitiv an inklusionsfreundlichen Strukturen. „Nicht der Mensch muss zum Arbeitsplatz passen, sondern der Arbeitsplatz muss so gestaltet werden, dass ihn auch Menschen mit Behinderung sinnvoll ausfüllen können“, so meine Auffassung. Die Digitalisierung bietet hier eine Vielfalt an Möglichkeiten, allein sie werden nicht genutzt. Die räumliche Ausstattung am Arbeitsplatz ist eine wichtige Grundvoraussetzung: Parkplätze, Rampen, Teppichböden für bessere Akustik sind nur einige Beispiele. Neubauten sollten von Beginn an barrierefrei gedacht werden. Trotz des eklatante Fachkräftemangels bestehen immer noch zu viele Hürden für Menschen mit Behinderung. Die Arbeitswelt hat ihre Potenziale noch nicht erkannt.

Psychische Erkrankungen schaffen Barrieren

Ein besonderes Problem stellen die zunehmenden psychischen Erkrankungen von Dienstanwärter*innen und Angestellten dar.  Aus Angst vor Stigmatisierung und Nachteilen in der beruflichen Laufbahn werden psychische Erkrankungen an Hochschulen und am Arbeitsplatz häufig verschwiegen, der Gang zu Therapeut*innen vermieden – aus Angst, die Diagnose könnte ein Hindernis auf dem Weg zur Verbeamtung sein. Oft lassen sich Betroffene ein Attest vom Hausarzt für Abwesenheit ausstellen statt von ihrem Psychotherapeuten.  Die Behindertenvertretungen sind nicht die richtigen Ansprechpartner. Niedrigschwellige psychosoziale Beratungsstellen an Hochschulen und im ÖD könnten hier Abhilfe schaffen.

Auch den Schuldienst für Menschen mit Behinderung öffnen

„Es ist längst überfällig, Menschen mit Behinderung für das Lehramt an Schulen auszubilden und als Lehrkräfte einzustellen“, so Anna Schwamberger. „Dies würde zur Inklusion beitragen, hätte Vorbildfunktion für die Schüler*innen und würde dem eklatanten Lehrer*innenmangel entgegenwirken. Menschen mit Behinderung sind im Schuldienst immer noch massiv unterrepräsentiert.“ Dies setzt voraus, dass Schüler*innen mit Behinderung auch an den Fachoberschulen oder Gymnasien vertreten sind – immer noch ein großes Manko. 

Besonders benachteiligt: Menschen mit geistiger Beeinträchtigung

Menschen mit geistiger Beeinträchtigung haben so gut wie keine Chancen auf eine Zukunft im öffentlichen Dienst. Die Arbeit in den Werkstätten ist demütigend und ohne Perspektive. Inklusion, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedeutet in erster Linie Teilhabe am Arbeitsleben. Hier ist auch der öffentliche Dienst gefordert – auch wenn es sich um Nischenberufe oder niedrigschwellige Beschäftigungsangebote für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung handelt.