Entspannt aufwachsen – Für eine Kindheit ohne Stress

Anlässlich des Internationalen Tages der „Seelischen Gesundheit“ am 10. Oktober, haben wir als GRÜNE Landtagsfraktion in unserer Veranstaltungsreihe „Dialog Psychische Gesundheit“ den Fokus auf unsere Kinder und im Speziellen auf den Lebensraum frühkindliche Bildung gelegt. Dazu habe ich als Sprecherin für Sozialpolitik und Psychische Gesundheit zusammen mit unserer Fraktionsvorsitzenden Katharina Schulze und meinem Fraktionskollegen Johannes Becher (Sprecher für frühkindliche Bildung) das Personal in Kindertageseinrichtungen und die Eltern zu dem mittlerweile vierten Dialog „Entspannt aufwachsen – Für eine Kindheit ohne Stress“ eingeladen. Mit unserer Veranstaltung wollten wir wie jedes Jahr ein Forum für offene Gespräche und Diskussion zwischen Betroffenen, Expert*innen und Politik schaffen. Vor Ort diskutiert haben neben den zahlreichen Teilnehmenden auch Dr. phil. Arne Bürger, Leitender Psychologe der Ambulanz Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Würzburg sowie die Bloggerin Sabine Ponath (mumandstillme).

Fotografin: Annette Hempfling

Wie entspannt und zugleich pädagogisch wertvoll Kinderbetreuung auf einem Natur- und Bauernhof-Kindergarten funktionieren kann, zeigt das Beispiel des Papst-Hofes in unterfränkischen Giebelstadt:

Nicht jedes Kind hat die Möglichkeit, in einem Bauernhof- oder Waldkindergarten betreut zu werden, aber jedes Kind hat ein Recht auf eine Kindheit in einem Umfeld, in dem es behütet und gefördert wird.

Corona-Pandemie brachte viele Einschränkungen

Kinder, ihre Familien und das Personal in den Kindertagesstätten haben zum Schutz aller in den vergangenen zwei Jahren viel auf sich genommen und oft über ihre Kräfte hinaus Enormes geleistet. Die veränderte alltägliche Lebenswelt von Kindern hat sich während der Pandemie auf deren Lebensqualität ausgewirkt und hat sich im Vergleich zu vor der Krise verschlechtert. Während der Covid-19-Pandemie haben psychische Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie deutlich zugenommen. Vor der Pandemie zeigte etwa jedes fünfte Kind (18 Prozent) Hinweise auf psychische Auffälligkeiten. Während der Pandemie litt etwa jedes dritte Kind unter psychischen Auffälligkeiten (vgl. Stiftung Kindergesundheit 09/2022) Das bedeutet eine vermehrte Belastung für die gesamte Familie und wir möchten ein klares Signal senden: Präventives Handeln und das „darüber reden“ kann nicht früh genug anfangen. Zudem braucht es klare politische Zielsetzung und Investitionen in Prävention. Dr. Arne Bürger machte deutlich, dass Prävention viel mit Gesundheitsförderung zu tun hat und nicht nur Verhinderung von Krankheit bedeutet. Er betonte auch: „Kinder brauchen für ihre Entwicklung das Beisammensein mit anderen Kindern.“

und Belastungen

Während der Pandemie sind die Belastungssymptome von Müttern gestiegen, insbesondere für Alleinerziehende. „Der Vertrauensverlust in die Politik ist gestiegen und muss unbedingt zurückerobert werden“, so die zweifache Mutter Sabine Ponath. Wir müssen den Kindern und Eltern zuhören und das Thema Care Arbeit gesellschaftlich und politisch wertgeschätzt werden. „Gute Kinder- und Jugendpolitik ist auch Frauenpolitik. Es ist ein Skandal, dass Care Arbeit immer noch nicht gleichberechtigt verteilt ist, da wünsche ich mir einen deutlichen höheren Fokus der Entscheidungsträger*innen“, so Katharina Schulze. 

Die Belastung für Fachkräfte steigt seit Jahren. Hinzu kommen mehr Krankheitstage, häufig wegen psychischer Überlastung. „Wir brauchen endlich bessere Rahmenbedingungen um frühzeitig Herausforderungen wie Überlastung zu erkennen und Hilfsangebote zielgruppenspezifisch zu gestalten. Mehr investieren, statt experimentieren“, forderte Johannes Becher.

Den Bedürfnissen aller gerecht werden – und wie?

Fotografin: Annette Hempfling

Die Diskussion zeigte, dass viele Stellschrauben zu drehen sind, um Kinder entspannt aufwachsen zu lassen. Die Bedürfnisse der Kinder, den Betreuungsbedarf der Eltern und die Arbeitsbedingungen in den Kitas gilt es zu vereinbaren. In den Kindertagesstätten braucht es Erzieher*innen, die Zeit haben, eine Beziehung und Bindung zu den Kindern aufzubauen. Dafür braucht es mehr Investitionen in Qualität und einen besseren Personalschlüssel in den Kitas. Auch in Zeiten des Fachkräftemangels gibt es Wege dazu, wie z.B. eine grundlegende Reform der Ausbildung der Erzieher*innen (vgl. Vorschläge der GRÜNEN-Fraktion).

Die Zahlen zeigen, dass insbesondere Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund besonders betroffen sind von stressbedingten seelischen Problemen, aber es darf nicht vergessen werden, dass auch Kinder aus behüteten Elternhäusern psychisch krank werden und Belastungssymptome zeigen. Ein Teilnehmer brachte es auf den Punkt: „Jeder und jede kann psychisch krank werden. Die Vorstellung, eine schöne Kindheit ist ein absoluter Schutz, muss aufgegeben werden.“ Enttabuisierung psychischer Erkrankungen und Früherkennung auch in diesem Bereich – dafür brauchen wir Investitionen in Prävention und Gesundheitsförderung, denn: Je früher jemand etwas erkennt, desto besser kann man helfen. Dazu braucht flächendeckende Weiterbildungsmaßnahmen im Bildungsbereich, damit Fachberatungen sowie die Pädagogische Qualitätsbegleitung für die Frühkindliche Bildung stärker dazu befähigt werden, Fortbildungen und Supervision zur Erkennung und Prävention von psychischen Erkrankungen für frühpädagogische Fachkräfte anzubieten. (vgl. Konzeptpapier der GRÜNEN-Fraktion „Die Kleinsten stark machen“)