Frage 2: Am 25.3.2017 haben führende Vertreter von 27 EU Mitgliedsstaaten, des Europäischen Rates, des Europäischen Parlamentes und der Europäischen Kommission in Rom eine Erklärung zu den nächsten zehn Jahren der Union abgegeben. Diese Erklärung ist allerdings abstrakt und beinhaltet kein konkretes Maßnahmenprogramm. Greifen Sie bitte drei Aspekte der Erklärung heraus und erläutern Sie, wie Ihre Partei diese in praktische Politik umzusetzen vorschlägt. Alternativ bitten wir Sie, Aspekte herauszugreifen, die Ihre Partei nicht unterstützen. Bitte erläutern Sie in diesem Fall die Gründe dafür.

Als GRÜNE Abgeordnete halte ich all die in der Agenda genannten Themen für sehr wichtig, eine  Auswahl von drei Aspekten fällt demzufolge schwer, insbesondere, da sie ineinander übergreifen. Dennoch hier eine Auswahl von drei wesentlichen Aspekten:

1.     Um Stabilität und Wohlstand und sozialen Ausgleich für die BürgerInnen der EU zu gewährleisten, brauchen wir höhere gemeinsame sozialstaatliche Mindeststandards und Einwanderungsgesetze.

Die EU definiert Mindeststandards, die einzelnen Länder dürfen weitergehende Bestimmungen erlassen. In der Vergangenheit war die EU immer wieder der Motor wichtiger sozial- und gesellschaftspolitischer Entwicklungen, z.B. bei der Bekämpfung von Diskriminierung, bei der Gleichstellung von Frauen und Männern. Die EU sollte mit richtungsweisenden Entscheidungen diesen Weg weiterverfolgen, und z.B. darauf dringen, dass soziale Mindeststandards für europäische Wanderarbeiter in jeder Branche gelten und auch vor Ort von den Betroffenen eingefordert werden können, von denen, die auf Baustellen um ihren Lohn betrogen werden bis zu klaren Regelungen für Pflegekräfte in der häuslichen Pflege. Vielen Deutschen, die eine Pflegekraft zur Unterstützung ihrer älteren Verwandten suchen, ist weder klar, dass sie sich, auch wenn sie die Pflegekraft über eine Agentur bekommen, in einer rechtlichen Grauzone befinden. Ebenso wenig ist den hier arbeitenden Pflegekräften aus dem Ausland immer klar, welche Verantwortung sie hier übernehmen müssen bzw. sie können nicht einschätzen, ob ihre Ausbildung und ihr Wissen für die zu übernehmende Pflege ausreicht.

Ein weiterer wichtiger Punkt, um die Stabilität und den Wohlstand der BürgerInnen innerhalb der EU zu erhalten, ist die Schaffung von Einwanderungsmöglichkeiten durch gemeinsame oder wenigstens nationale Einwanderungsgesetze. Gerade angesichts der demographischen Situation in Deutschland, die durch eine alternde Bevölkerung und eine sinkende Zahl an zur Verfügung stehenden Arbeitskräften geprägt ist, und gerade weil in zunehmendem Maße der Arbeitskräftebedarf auch durch Migrationsbewegungen innerhalb der EU nicht gedeckt werden kann, macht es keinen Sinn, motivierte junge Menschen aus dem außereuropäischen Ausland abzuschieben, egal wie erfolgreich sie bei ihren Bemühungen sind, in Deutschland Fuß zu fassen. Die Effekte, die die erfolgreiche Integration von MigrantInnen in den Arbeitsmarkt hat, gehen weit über Europa hinaus, denn Migranten und Migrantinnen unterstützen die daheimgebliebenen erfahrungsgemäß viel erfolgreicher und nachhaltiger, als es internationale Hilfsprogramme tun und leisten daher auch einen wichtigen Anteil, um das Ansehen Europas in der Welt zu stärken und Frieden zu schaffen und den Druck von Flüchtlingen nach Europa abzumildern.

2.     Wir brauchen eine gemeinsame Energie- und Klimapolitik, in der Energie sicher und erschwinglich ist und in der ein nachhaltiger Schutz unserer gemeinsamen Lebensgrundlagen eine wichtige Rolle spielt. Dazu zählt der Ausstieg aus der Atomenergie, die massive Reduzierung fossiler Brennstoffe, der Einstieg in ein Zeitalter der erneuerbaren Energien, und die Reduzierung des Energieverbrauchs durch begleitende Maßnahmen wie z.B. Wärmedämmung. 

Dass der „Klimawandel“ schon längst im Gange ist, ist unbestritten. Faktisch handelt es sich aber nicht um einen „Klimawandel“, sondern für viele Menschen auf der Welt wird sich der „Klimawandel“ zu einer „Klimakatastrophe“ auswirken. Ein höherer Meeresspiegel, Trockenheit, Unwetter usw. wird auch die Länder der europäischen Union treffen, hohe Kosten verursachen und den Lebensstandard deutlich senken. Das Geld, das man für Dämme an den europäischen Küsten verbraucht, kann man nicht in Bildung stecken. Die zunehmende Trockenheit in Südeuropa verändert die wirtschaftliche Nutzbarkeit der Flächen, z.B. für den Anbau von Lebensmitteln. Die Gefahren durch Atomenergie betreffen alle BürgerInnen in er EU, sei es nun die Gefahr durch den Austritt radioaktiver Strahlung bei laufendem Betrieb oder die Gefahren durch die ungelöste Beseitigung der verbrauchten Brennstäbe. Die EU muss hier Motor und Wegweiser werden und energie- und klimapolitische Ziele umsetzen.

3.     Die Maßnahmen nationaler und internationaler sicherheitspolitischer Maßnahmen müssen effektiv und zielgerichtet und verhältnismäßig sein, statt unter dem Deckmantel von sogenannten Anti-Terror-Maßnahmen den Datenschutz der EU-BürgerInnen massiv auszuhöhlen. Wichtig sind klare Aufgaben- und Kompetenzzuweisungen an Polizei und Behörden, gemeinsame Begriffe (z.B. was ist überhaupt ein „Gefährder“), eine verbesserte Zusammenarbeit und rechtsstaatliche Überprüfungsmöglichkeiten. 

Die größtmögliche Sicherheit der BürgerInnen Europas zu gewähren ist zum einen eine existenzielle Verpflichtung, zum anderen aber auch eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass die BürgerInnen eine Weiterentwicklung der EU grundsätzlich unterstützen und sich als Nationalstaaten einbringen. Die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität muss deshalb grenzüberschreitend so gut organisiert sein, dass sie für die einzelnen Staaten einen erkennbaren Vorteil bringt. Die letzten Attentate haben aber leider gezeigt, dass Warnungen und Informationen einzelner Staaten an andere nicht richtig eingeordnet wurden, nicht an der richtigen Stelle landeten oder nicht ernst genug genommen wurden. Uns GRÜNEN ist es deshalb besonders wichtig, die Zusammenarbeit zu verbessern, darauf zu dringen, dass die nationalen und internationalen Strafverfolgungsbehörden gut ausgestattet sind mit Personal und Ausstattung.

Um gemeinsame Erfolge erringen zu können ist es z.B. wichtig, gemeinsame Begrifflichkeiten und klare Zuständigkeiten zu definieren – was ist z.B. ein „Gefährder“? Das von CDU, CSU und SPD im Bundestag im Eilverfahren verabschiedete sogenannte „Anti-Terror-Gesetz“ dagegen öffnet Tür und Tor für den Datenmissbrauch, bezieht sich auf unbestimmte Rechtsbegriffe wie z.B. „Sicherheitsinteressen des Landes“ , gibt Geheimdiensten und Polizeibehörden weiterhin überlappende Zuständigkeiten und ist unverhältnismäßig: so müssen z.B. 30 Millionen Deutsche PrePaidKarten-Nutzer jetzt beim Kauf einer Prepaid-Karte ihren Ausweis vorzeigen, ohne dass klar ist, inwieweit diese Maßnahme tatsächlich dazu führt, (potenzielle) Attentäter zu identifizieren.

Die “Agenda von Rom” können Sie hier komplett lesen.

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