Care Leaver

„Care Leaver“ sind junge Menschen, die aufgrund ihrer Volljährigkeit aus den Angeboten der stationären Erziehungshilfe rausfallen. In der Regel werden Jugendliche mit Vollendung des 18. Lebensjahres aus den Heimen, Wohngruppen oder Pflegefamilien entlassen und müssen plötzlich auf eigenen Füßen stehen. Häufig befinden sie sich noch in der Schule, in der Ausbildung oder im Studium. Genau in dieser schwierigen Phase verlieren sie ihre bisherigen Bezugspersonen. Der Anspruch auf Hilfen für junge Volljährige nach dem Kinder- und Jugendhilferecht wird häufig sehr restriktiv gehandhabt und die Angebote zur Nachbetreuung sind sehr rar gesät, zeitlich begrenzt und qualitativ unzureichend.

Auf meine Initiative hin befasste sich der Sozialausschuss im April 2019 mit der Situation der Care Leaver. Zum Fachgespräch „Hilfsangebote für Care Leaver überprüfen“ wurden Alexandra van Driesten von Careleaver e.V., einer Interessenvertretung für junge Menschen die aus der stationären Erziehungshilfe kämen, und Petra Rummel vom Landesverband der katholischen Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen in Bayern e.V. (LVkE) eingeladen.

Die beiden Expertinnen machten die Situation sehr deutlich. Beim Übergang in ein eigenständiges Leben benötigen diese jungen Menschen häufig noch Unterstützung. Sie verfügen oft nicht über stabile soziale Netze und ausreichende Ressourcen, um sofort auf eigenen Beinen stehen zu können. Nur ein geringer Teil der Kinder und Jugendlichen erhält nach Vollendung der Volljährigkeit weiterhin Leistungen der Jugendhilfe. Deshalb ist eine der zentralen Forderungen des Careleaver e.V. der Anspruch auf Leistungen der Jugendhilfe auch nach Vollendung der Volljährigkeit (§41 SGB VIII). Das Ende der Jugendhilfe soll nicht allein vom Jugendamt bestimmt werden. Diese Forderung haben wir als GRÜNE Landtagsfraktion in dem umfangreichen Antragspaket zur konkreten Verbesserung der Situation aufgenommen (siehe unser Antrag: Drs.18/2405 Care Leaver IV). Wir wollen „leaving care“ als eigenen Tatbestand im Kinder- und Jugendhilferecht verankern, denn dadurch würden die Hilfen für junge Volljährige und der Anspruch auf eine individuelle Übergangsbegleitung von einer Kann- zu einer Pflichtleistung.

Auch fehlen bisher konkrete Daten zur Zahl und Lebenssituation von Care Leavern in Bayern. Die Kinder- und Jugendhilfestatistik muss deshalb so ausgeweitet werden, dass sie auch die Situation von Care Leavern erfasst (siehe unser Antrag: Drs. 18/2402 Care Leaver I).

Sharepic: "Wer Geld verdient, soll es behalten dürfen!"
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Ein weiteres Problem von Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendhilfe ist die Kostenbeteiligung, sobald sie über eigenes Einkommen verfügen. So müssen die jungen Menschen bis zu 75 Prozent ihres Einkommens aus Nebenjobs bzw. ihrer Ausbildungsvergütung als Kostenbeitrag für die Jugendhilfe abführen. Das untergräbt meiner Meinung nach die Arbeitsmotivation und schadet der Verselbstständigung der jungen Menschen: Die Jugendlichen brauchen die Möglichkeit, für den Übergang in die Selbstständigkeit Gelder ansparen zu können (siehe unser Antrag: Drs.18/2403 Care Leaver II). Deshalb fordern wir eine Höchstgrenze von maximal 50 Prozent sowie einen Freibetrag von mindestens 250 Euro im Monat.

Weiterhin brauchen die jungen Menschen nach dem Ausscheiden aus der stationären Kinder- und Jugendhilfe ein niederschwelliges Anlauf- und Beratungsangebot, welches sie bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt, ihnen in akuten Krisen und Notlagen hilft, sie bei der Wohnungs- und Jobsuche unterstützt sowie beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen behilflich ist. Kompetente Ansprechpartner*innen und maßgeschneiderte Hilfsangebote sowie eine bessere Förderung von Selbstorganisationen in diesem Bereich sind wichtige Bausteine für den Übergang (siehe unser Antrag: Drs.18/2404 Care Leaver III). Ein vernünftiges Übergangsmanagement beim Übergang aus der Jugendhilfe in andere Hilfesysteme muss individuell und flexibel gestaltet werden können.

Viele Jugendliche können nicht einfach in ihre Herkunftsfamilien zurückkehren. Sie dürfen nicht dazu gezwungen werden, zur Vermeidung von Obdachlosigkeit zu den leiblichen Eltern zurückzukehren. Träger der Jugendhilfe und Wohnungsbaugesellschaften müssen stärker bei der Suche nach geeigneten Wohnungen kooperieren (siehe unser Antrag: Drs. 18/1937).

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