Delegationsreise des Gesundheitsausschusses nach London, November 2022

Anmerkung: Die Fahrt mit dem Zug, Kosten für Zugfahrt und Unterkunft wurden vom Bayerischen Landtag bezahlt.

Besuch der Deutschen und Bayerischen Botschaft

Delegationsreisen beginnen eigentlich immer mit einem Besuch der Deutschen Botschaft, und wenn es eine bayerische Vertretung in dem jeweiligen Land gibt, dann natürlich auch dort. Mit den Gesprächen dort werden wir als Abgeordnete über die unsere individuelle thematische Vorbereitung im Vorfeld der Fahrt noch einmal auf die aktuellen Entwicklungen zu den Themen, die wir dort bearbeiten wollen, hingewiesen und auch auf die britische Sicht dazu, die sich ja zum Teil durchaus unterscheidet von der externen Sicht. Während für mich zum Beispiel der National Health Service (NHS) eine von mehreren gleichwertigen möglichen Varianten ist, um eine staatliche Gesundheitsversorgung zu garantieren, ist es für die Briten seit seiner Gründung 1948 quasi eine Art Kulturgut, dazu einer der größten Arbeitgeber der Welt mit 1,7 Mio. Angestellten und man ist – trotz erkennbarer Defizite – immer noch sehr stolz auf den NHS. 

Das Büro des Freistaats Bayerns im Vereinigten Königreich wird geleitet von Anna Katharina Schennach. Mit diesem Büro wird die Zusammenarbeit mit Großbritannien nach dem Brexit gefördert und ausgebaut. Aufgabe des Büros ist es, zu einer weiteren Vertiefung der Beziehungen zwischen Bayern und dem Vereinigten Königreich in Wirtschaft, Wissenschaft, Innovation, Bildung, Jugendaustausch und Kultur beizutragen

Besuch des „King’s Fund“

Der „King’s Fund“ ist eine unabhängige Wohltätigkeitsorganisation, die sich für die Verbesserung des Gesundheits- und Pflegesystems in England einsetzt. Dafür organisiert der „King’s Fund“ Konferenzen und Veranstaltungen und arbeitet mit verschiedenen Akteur*innen aus Politik und Praxis auf lokaler und nationaler Ebene zusammen. Ihre Prioritäten liegen dabei auf der Förderung vor Ort und der Verbesserung der Gesundheit und Pflege von Menschen mit den schlechtesten Gesundheitsergebnissen. Für mehr Informationen klicke hier.

Besichtigung des University College Hospitals

Das University College Hospital (UCH) ist ein Lehrkrankenhaus in London, das eng mit dem University College London (UCL) verbunden ist. Das Krankenhaus ist Teil des „University College London Krankenhäuser NHS Foundation Trust“ , die wiederum Teil des „National Health Service“ (NHS) sind.

Außerdem sprachen wir auch mit Ivana Poparic von Med City (London).

MedCity (London) wurde 2014 ins Leben gerufen, um die Zusammenarbeit zwischen dem Imperial College, dem King’s College und dem University College London – den drei wichtigsten wissenschaftlichen Universitäten der Hauptstadt – zu verbessern.

In den Gesprächen ging es um die Stellung Großbritanniens im Feld der Life Sciences und die Rolle der Cluster Unternehmen in der Medizinforschung.

Besuch im Ministerium für Gesundheit und Pflege

Auch dem „Department of health and social care“ statteten wir einen Besuch ab. Für vertiefenden Gesprächen über Personalanwerbung sprachen wir mit Ministeriumsvertreter*innen und tauschten Ideen für Möglichkeiten der Verbesserung im Gesundheits- und Pflegesystem aus. Für mehr Infos zum „Department of health and social care“ klicke hier.

Mit Vertreter*innen des „National Health Service“ (NHS) sprachen wir im Anschluss über Antibiotikaresistenzen und der Frage der Beschaffung knapper Arzneimittel auf den Weltmärkten.

Mein persönliches Fazit aus der Delegationsreise: 

Personalausstattung und Pflegenotstand
Für uns als bayerische Delegation war vor allem der Punkt der Personalanwerbung sehr spannend, kaum ein Thema hat uns in der letzten Legislaturperiode so sehr beschäftigt wie der Mangel an Pflegekräften. 

In England ist man bei der Lösung des Problems deutlich besser aufgestellt, war mein Eindruck. Zum einen gibt es viel mehr Bewerber*innen aus der ganzen Welt, die in einem englischsprachigen Land als medizinische Fachkräfte arbeiten wollen als bei uns in Bayern, zum anderen ist die Anerkennung der Zeugnisse wesentlich rascher als bei uns, was sicherlich auch daran liegt, dass zumindest im CommonWealth Gebiet die Ausbildung ähnlich strukturiert ist wie in Großbritannien und die Zeugnisse vergleichbar sind. Darüber hinaus muss England nach dem Austritt aus der EU auch keine Rücksicht mehr nehmen auf europäische Arbeitsmarktregelungen.

Fazit: Wenn in Großbritannien eine Pflegefachkraft aus dem Ausland zur Einstellung ausgewählt wurde, kann sie in drei Wochen da sein. Wenn man dagegen anschaut, wie zäh die Verfahren in Bayern laufen und dazu berücksichtigt, dass Deutsch eine sehr schwer zu verstehende Sprache ist mit sehr vielen Dialekten, dann ist klar, dass wir an unsere bayerische Willkommenspolitik für medizinische Fachkräfte und Pflegekräfte sehr viel besser aufstellen müssen, um auf dem weltweiten Wettbewerb für Pflegekräfte eine Chance zu haben.

Trotzdem: Die besseren Möglichkeiten, Personal einzustellen, werden anscheinend auch nicht immer vollumfänglich genutzt, die Notaufnahmen in den Krankenhäusern scheinen genauso überfüllt zu sein wie bei uns. Was vielleicht auch daran liegt, dass in der Corona-Phase 600.000 Menschen ihren Dienst im Gesundheitssektor quittiert haben und nicht wieder eingestiegen sind.

Verhältnis medizinische Versorgung und Pflegeversorgung

Hier ist die Situation definitiv nicht besser als in Deutschland. Es fehlt an kurzfristig geeigneten Pflegeplätzen, so dass die Menschen nicht aus der Klinik entlassen werden können, wenn sie zuhause nicht zurechtkommen. Die Situation ist regionale sehr unterschiedlich, je nachdem, ob es politisch zu den Prioritäten zählt oder eher nicht, ob Geld in der Region vorhanden ist oder nicht. Eine gleichmäßige Versorgung für alle liefert das englische System jedenfalls nicht.

Der National Health Service hat zwar das Ziel, die Menschen in ganz England auf einem hohen Level zu versorgen, aber faktisch gibt es eine Zwei-Klassen-Medizin, denn Ärzt*innen bieten am Wochenende häufig Privatsprechstunden an und sind dann natürlich nicht für Wochenendschichten in der Klinik da. Teilweise lohnt es sich auch mit einem Taxi in die Klinik zu fahren, statt auf den Krankenwagen zu warten, wurde mir am Rande eines Termins erzählt, denn dann käme man schneller in die Klinik. Klingt nicht vorbildlich, finde ich.  

„Green Hospital“

Die ökologische Komponente des Krankenhausbetriebs wird oft vernachlässigt, kaum gesehen, obwohl hier enorme Einsparpotenziale liegen. Energiekosten für Krankenhäuser müssen aus dem Budget des National Health Service (NHS) bezahlt werden – das bedeutet in Zeiten steigender Energiepreise, dass energetisch schlecht gedämmte Krankenhäuser viel Geld benötigen, das eigentlich der besseren Gesundheitsversorgung dienen sollte. Und auch da gibt es noch Luft nach oben, mehrere Monate bzw. ein Jahr warten auf eine Behandlung ist nicht unüblich. In den 90er Jahren hat der NHS große Fortschritte gemacht, inzwischen aber häufen sich die Probleme, war mein Eindruck. Der Ärzt*innenmangel mit Lotsenfunktion gerade in den ärmeren Regionen nimmt zu und die Qualität der medizinischen Versorgung hier dementsprechend ab. 

Systematische Datenerfassung

Positiv beeindruckt hat mich die Datenlage zur Verknüpfung von Gesundheit bzw. Krankheit und sozialen Verhältnissen. Dass Covid in ärmeren Regionen, in denen Menschen enger zusammenwohnen als in privilegierten Regionen wesentlich mehr Opfer gefordert hat, ist allgemein bekannt. Viele andere Zusammenhänge von Krankheiten und Lebenssituation werden in Großbritannien systematisch erfasst, gerade um gezielt Prävention machen zu betreiben. Aber die entsprechenden politischen Beschlüsse zu fassen, dauert dann doch wieder sehr lange.

Mehr Geld zu investieren in ärmere Regionen, wurde immer wieder mal gemacht, dann allerdings auch schnell wieder gekürzt, wenn die finanziellen Spielräume enger wurden.

Immerhin: Gesetzliche Regelungen zur Zuckerreduzierung in Getränken funktionieren dort aber schon lange gut, hier könnte sich Deutschland einiges abschauen, finde ich.

Weitere Impressionen der Reise: