Dienstreise Norddeutschland, Mai 2022

Die Fahrt zu gesundheitspolitischen Projekten in Norddeutschland war eine der interessantesten, die ich bislang gemacht habe mit dem Bayerischen Landtag. Vielleicht lag das auch daran, dass wir nur eine sehr kleine Gruppe waren, vier Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen und zwei Ministeriumsmitarbeiter*innen; so war ein sehr intensiver Austausch möglich. Der Rest der Abgeordneten hatte entweder andere Termine/ Pläne oder war infiziert mit Corona. 

Erster Halt: Hamburg

Eines meiner Hauptthemen im Gesundheitsausschuss ist das Thema “Psychische Gesundheit”. Deswegen interessierte mich der erste fachliche Termin ganz besonders, die Vorstellung des Modellprojektes „RECOVER“ durch Prof. Dr. med. Martin Lambert, Stellvertretender Klinikdirektor, Leitung Arbeitsbereich Psychosen, Leitung Integrierten Versorgung, Zentrum für Psychosoziale Medizin und Dr. phil. Anja Christine Rohenkohl, Dipl.-Psych. aus dem  Arbeitsbereich Psychosen – Integrierte Versorgung.

Besuch beim “Recover”-Modellprojekt.

“Recover” ist ein Modellprojekt, in dem Menschen mit psychischen Erkrankungen sektorenübergreifend-koordiniert und schweregradgestuft behandelt werden. Kurz gesagt: die Behandlung wird sehr schnell begonnen, aber nicht unbedingt stationär im Klinikum, sondern man versucht durch andere, zielgerichtete Behandlung den Patient:innen zu helfen,  ohne dass es zu einem Klinikaufenthalt kommt. Bisher ist es ja oft so: man merkt,  dass man Hilfe braucht, findet aber keine:n Psychiater:in bzw Psycholog:in, die Krankheit/ die Lebensumstände verschlimmert sich/ verändern sich während der Wartezeit und es wird ein Punkt erreicht,  wo nur noch die Aufnahme in eine Klinik bleibt. 

Als Teil des RECOVER-Modells wird auch eine neue E-Health-Mental Plattform entwickelt: eRECOVER.

eRECOVER wird zukünftig die Behandlung von Menschen mit psychischen Problemen und Erkrankungen durch internetbasierte Beratung, Diagnostik und Therapie unterstützen. eRecover ist die Bezeichnung für ein neues online-Gesundheitsportal für Menschen mit psychischen für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es beinhaltet ein vielfältiges Angebot bestehelnd aus den Bereichen eDiagnostik, eBeratung, eTherapie und eLearning. 

Gruppenfoto vor der Sitzung des Gesundheitsausschusses.

Das Modellprojekt von 2017- 2020 wurde vom Innovationsausschuss aus des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert – und nicht mehr verlängert. Schade, finde ich. Und ich hoffe, dass das nicht das endgültige Aus ist. Wie es in Bayern um die Versorgung mit psychischer Gesundheit bestellt ist, habe ich abgefragt in einer sogenannten “Interpellation”, also der größtmöglichen Anfrage. Hier können Sie diese nachlesen. 

In Hamburg besichtigten wir natürlich auch das Rathaus und nahmen als Zuhörer*innen an einer Sitzung des Gesundheitsausschusses der Hamburger Bürgerschaft teil. 

Weiterfahrt nach Büsum

Büsumer Modell

Einen Tag später fuhren wir nach Büsum. Büsum hat weniger als 5000 Einwohner:innen und viele Tourist:innen. Es liegt im Kreis Dithmarschen und hat ein tolles Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), einer kommunalen Eigeneinrichtung. Wir wollten wissen, wie man das hinkriegt, so ein MVZ in so einem kleinen Ort. Deswegen trafen wir uns dort mit Herrn Bürgermeister Hans-Jürgen Lütje und Frau Ruth Mengel, Case Managerin des Gesundheitszentrums. Eine der Antworten auf die Frage, wie es dort geklappt hat, ist natürlich, man muss sich mit den umliegenden Gemeinden einigen, was am besten für alle funktioniert. Gemeinde-Egoismen sind hier fehl am Platz.  

Flensburg

Danach ging es nach Flensburg.  Dort haben zwei Kliniken fusioniert, eine von einem katholischen Träger und eine von einem evangelischen Träger. Der Einigungsprozess bei so etwas ist sehr kompliziert, es geht um Tariffragen, gemeinsames Logo, räumliche Ressourcen,  Einsparungen und natürlich auch Fragen wie: dürfen hier Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden? Und die einzige mögliche Antwort muss natürlich “ja” heißen, was aber wohl auch erst einer Einigung bezüglich des “wie” bedurfte. Wir sprachen vor Ort mit Vertretern der DIAKO-Klinik und des Malteser Krankenhauses, u.a. mit Prof. Dr. Stephan Timm, Chefarzt Chirurgie, Ärztlicher Direktor des Malteser Krankenhauses. Auch Geburtshilfe war Thema, mit den Besonderheiten der medizinischen Versorgung der Inselbewohner:innen. Nicht ganz einfach. 

Letzte Station: Kiel

Zum Schluss ging es nach Kiel. Dort sprachen wir mit dänischen Vertreter:innen von “Healthcare Denmark” darüber, wie man mit möglichst viel allgemeinärztlicher Medizin erreicht, dass möglichst wenig teure Klinikaufenthalte notwendig werden. Ich fand das sehr überzeugend. 

Austausch mit Vertretern des Gesundheitsausschuss im Landtag von Schleswig-Holstein.

Zwei Termine gab es noch: einmal mit Vertretern des Gesundheitsausschusses im Landtag von Schleswig-Holstein,  wo für die Landtagswahlen am folgenden Abend schon alles aufgebaut war mit Kamera und Fernsehstudios. Wir trafen den stv. Vorsitzenden des Sozialausschusses, Herrn Abg. Wolfgang Baasch, und weitere Mitglieder.

Zum Schluss ging es zum Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). Extrem modern in dem Sinne, dass die Abläufe bei Diagnose, Behandlung und Verwaltung vollständig aufeinander abgestimmt sind, also möglichst keine Leerläufe oder nervenden Wartezeiten auf der einen Seite und mehr Stress auf der anderen Seite für Pflege- und Verwaltungspersonal und Mediziner*innen. Das geht aber in Bestandsbauten kaum umzusetzen, für sowas braucht man teure Neubauten, wurde uns schnell klar. Wir sprachen dort mit Prof. Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender und Vorstand für Krankenversorgung / CEO. 

Insgesamt: eine Fahrt, die mir sehr viel gebracht hat!