Die Würzburger Franz-Oberthür-Berufsschule bekam Besuch der Landtagsabgeordneten Christine Kamm und Kerstin Celina, die ihre Unterstützung für das Berufsintegrationsprojekt ausdrückten und sich über die BAF-Klassen informierten (BAF: Berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge). Dazu trafen sie sich zum Gespräch mit den Schulleitern Uwe Tutschku und Herrmann Helbig, mit Ralf Geisler (Koordinator der BAF-Klassen), sowie mit Schülerinnen und Schülern einer BAF-Klasse.
Die Berufsschule unterrichtet momentan fünf Klassen mit insgesamt 90 Asylsuchenden. „Diese Menschen sind hochmotiviert und geben unserer Gesellschaft eine Menge“, so Geisler. Sie lernen hier primär die deutsche Sprache sowie Fächer, die ihnen eine „Richtschnur für das Leben in der Gesellschaft“ geben, so Schulleiter Tutschku. Die Integration in den Arbeitsmarkt ist dabei ein wichtiges Ziel. So absolvieren die Schülerinnen und Schüler immer wieder 1-2-wöchige Praktika. Das Konzept dieser Ausbildung haben die Leitenden selbst entwickelt, ebenso wie die Verbindungen zu Behörden, Verbänden und den Unternehmen.
Mit den damit verbundenen Herausforderungen kommt die Schule teilweise an die Grenzen ihrer personellen Möglichkeiten. In den BAF-Klassen unterrichten vor allem engagierte Fachlehrer, da Personal mit DAZ-Spezialisierung (Deutsch als Zweitsprache) rar sei und dieses dann meist nur eine ungenügende pädagogische Ausbildung vorweisen könne. Außerdem werden keine zusätzlichen staatlichen Mittel bereitgestellt, um dem hohen Verwaltungsaufwand auch mit zusätzlichem Personal begegnen zu können. So steht momentan nur eine Sekretärin für die 90 Asylsuchenden zu Verfügung, von denen viele eine intensive Betreuung benötigen.
Die Schulleitung berichtete von erheblichen Unterschieden im Umgang der verschiedenen Ausländerbehörden mit den jungen Flüchtlingen. Während einige auf die amtliche Unterstützung zählen können, fühlen sich andere eher behindert. Die Auslegung des Ermessensspielraums variiert also stark. Kamm berichtete von dem Vorschlag, eine Art „Backoffice“ für die Behörden einzurichten, mit dem sie in Zweifelsfällen Rücksprache halten könnten – was zu einer größeren Homogenität führen würde.
Bei einem Treffen mit Schülern erzählten diese einerseits, wie glücklich und dankbar sie seien, nun endlich lernen zu können (nach teils jahrelanger Zeit der Flucht und des Wartens). Andererseits berichteten sie von vielfältigen Schwierigkeiten, die es noch zu bewältigen gilt. So sei der Status des „Geduldeten“ eine hohe psychische Belastung für den Betroffenen, was auch das Lernen erschwere. Die meisten Schüler leben weiterhin in der großen Gemeinschaftsunterkunft, wo nachts kaum drei Stunden ruhiger Schlaf möglich seien, geschweige denn konzentriertes Arbeiten. Ein besonderes Problem sei auch, dass die Asylsuchenden meist keinen Führerschein machen dürfen, was die Integration in Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erheblich erschwert (Grund: ihre Identität kann häufig nicht mit ausreichenden Dokumenten belegt werden). Die Asylsuchenden wünschen sich ebenfalls, dass Übergangsklassen auch für Realschulen und Gymnasien eingerichtet werden. Nicht wenige hatten schon eine universitäre Ausbildung in ihrem Heimatland angefangen.
Im Anschluss besuchten die Abgeordneten Kamm und Celina das Höchberger Unternehmen floor-concept, das schon mehrere Praktikanten der BAF-Klassen beschäftigt hatte. Geschäftsführer Bodo Ziegler meinte, es wäre schwierig, derart hochmotivierte Deutsche zu finden. Er hoffe, ab September einen Asylsuchenden als Auszubildenden einstellen zu können. Ziegler betonte jedoch auch, dass Planungssicherheit für ein Unternehmen seiner Größe von zentraler Bedeutung sei. Ein sicherer Aufenthaltsstatus der Auszubildenden ist deshalb sehr wichtig. Zieglers Ziel ist eigentlich, Auszubildende nicht nur für die Lehrzeit behalten zu können, sondern sie anschließend als betriebseigene Facharbeiter zu übernehmen. Momentan müssen „geduldete“ Auszubildende und ihre Betriebe allerdings jährlich mit einer Abschiebung rechnen. Kerstin Celina warb deshalb für die „3+2-Regelung“, die vorsieht, Asylsuchenden für die Dauer ihrer Ausbildung sowie für 2 Gesellenjahre einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu gewähren. Christine Kamm betonte, dass es wichtig sei, jetzt praktikable Lösungen zu erproben, solange die Zahl der Absolventen von BAF-Klassen noch überschaubar ist.
Christine Kamm und Kerstin Celina besuchen eine BAF-Klasse in der Franz-Oberthür-Berufsschule und das Unternehmen floor-concept.