Reisebericht USA, August 2019

Im August 2019 verbrachte ich auf Einladung von „Partnerschaft der Parlamente“  eine Woche in den USA.

Was war der Grund für die Reise?

Die überparteiliche Organisation NCSL (National Council of State Legislators) veranstaltet jedes Jahr einen großen, mehrtägigen Kongress, um Abgeordneten der amerikanischen Bundesstaaten, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Mitarbeiter*innen von Politik-Forschungsinstituten die Gelegenheit zu bieten, in vielen Foren Fachvorträge zu hören, Fragen zu stellen, sich auszutauschen. Über die Organisation „Partnerschaft der Parlamente“, bei der der Freistaat Bayern, aber auch ich persönlich Mitglied bin, wird Abgeordneten aus Deutschland und aus Österreich die Möglichkeit geboten, gemeinsam an diesem Kongress teilzunehmen. Das heißt, jeder stellt sich nach seinen fachlichen Schwerpunkten und Interessen sein eigenes Programm zusammen, man trifft sich dann am Abend, um sich nochmal auszutauschen. Neben den amerikanischen Teilnehmer*innen waren 208 Gäste aus 18 Ländern dabei, eine davon war ich.

Wer war dabei?

Kerstin Celina mit Gerhard Hopp (CSU) und Klaus Adelt (SPD).
Kerstin Celina mit Gerhard Hopp (CSU) und Klaus Adelt (SPD).

Aus dem bayerischen Landtag waren wir drei Abgeordnete, dazu zwei Vertreter der Landtagsverwaltung, denn es geht hier auch viel um Verwaltung, aber auch um Themen wie Organisation, Personalführung usw. Eine Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz, drei Abgeordnete aus der Steiermark, und Vertreter der Organisation „Partnerschaft der Parlamente“ waren ebenfalls dabei. Das Programm für den Kongress ist so dick wie ein kleines Buch, die Vielfalt der Themen, die in verschiedenen Seminaren behandelt werden, ist beeindruckend und es war absolut top organisiert. Auch zwischen den einzelnen Veranstaltungen hat man einander sehr leicht kennengelernt, die Amerikaner*innen sind ja eh sehr offen und freundlich und die „Internationals“ kommen auch leicht miteinander in Kontakt.

Welche Themen waren besonders wichtig?

Ich habe viele verschiedene Veranstaltungen besucht, zugehört und mitdiskutiert. Natürlich zu Klimapolitik und Energiepolitik, aber auch zum Thema „Sicherheit an Schulen“ im Hinblick auf Amokläufer, zum Thema „Frauen in (politischen) Führungspositionen“, was kann man tun, damit es mehr weibliche Abgeordnete in den Parlamenten gibt und vielleicht auch endlich mal eine amerikanische Präsidentin. Ich war bei zwei Veranstaltungen zum Thema Todesstrafe, bei einer zu der Frage, wie man verhindern kann, dass traumatisierte Kriegsveteranen straffällig werden, zum Thema „Stadt-Land-Gefälle“ und was daraus folgt, dass immer mehr junge Amerikaner*innen in die Städte ziehen, und die Älteren auf dem Land zurückbleiben, und zwar sehr oft ohne eine gute Internetverbindung, ich war bei einem Forum über staatliche Wohlfahrtsleistungen und was man steuerlich tun muss, damit eine Gehaltssteigerung oder die Entscheidung, mehr Stunden zu arbeiten, nicht für eine alleinerziehende Mutter bedeuten, dass sie am Schluss weniger Geld hat als vorher. Eine Veranstaltung ging darüber, wie man die Wahlbeteiligung erhöhen kann. Und ich war bei einer Veranstaltung, wo es darum, welche Art von Steuern verschiedene Staaten auf den Verkauf von Marihuana für medizinische oder private Zwecke erheben, wie hoch die Einnahmen sind, wie die einzelnen Staaten diese verwenden und worauf man als amerikanische*r Abgeordnete*r achten soll, wenn man ein eigenes Konzept entwirft, falls der Staat noch keines hat. Im Bundesstaat Washington waren die Einnahmen aus Marihuana-Steuern viel höher als aus Alkohol- oder Tabaksteuern und wurden zur Hälfte direkt in eine bessere Ausstattung der Schulen mit Personal und Material gegeben. Dazu gab es natürlich auch Treffen von internationalen Abgeordneten zum Kennenlernen.

Was war besonders interessant?

Flyer: Say No to Death Penalty!
Flyer: Say No to Death Penalty!

Für mich am interessantesten waren zwei Veranstaltungen zum Thema „Todesstrafe“. Für mich als Deutsche und Europäerin wirkt die Diskussion über „Gerechtigkeit“ im Hinblick auf Todesstrafe absurd. Bei einer Veranstaltung, die über die Europäische Union finanziert und veranstaltet wurde, war ein Mann dabei, der bereits in der Todeszelle inhaftiert war und der aufgrund eines neuen DNA-Gutachtens dann beweisen konnte, dass er nicht der Täter war. Er erklärte, die Todesstrafe habe nichts mit „Gerechtigkeit“ zu tun, sondern sei einfach nur Rache. In einer weiteren Veranstaltung zum Thema Todesstrafe, bei der auch eine Senatorin sprach, deren Sohn und Schwiegertochter ermordet worden waren, bestätigte sich für mich dieser Eindruck, denn es geht gar nicht darum, Verbrechen zu verhindern, das Ziel einer Strafe ist für viele hier auch nicht – wie in Europa – eine Resozialisierung zu ermöglichen, das Ziel ist „Gerechtigkeit“ in Form der härtesten und kostengünstigsten Strafe. Besonders interessant für mich war zu hören, welche enormen Probleme die Vollstreckung der Todesstrafe inzwischen bereitet, da die Europäische Union den Giftcocktail für eine „lethal injection“, also Todesspritze nicht mehr liefert. Seitdem werden faktisch kaum noch Todesurteile vollstreckt, weil der elektrische Stuhl und „Fire squads“ schon sehr grausame Bilder produziert haben, vor deren Öffentlichkeitswirkung selbst die Verfechter*innen der Todesstrafe Angst haben. Was dazu führt, dass Gefängnisse sich auch dem Schwarzmarkt Giftcocktails besorgen, um die Todesstrafe trotz des Lieferstopps aus der EU mit einer „lethal injection“ durchführen zu können, hat mir eine Vertreterin der EU erzählt. In Anbetracht der gerade erfolgten Ankündigung von Präsident Trump, die Todesstrafe auch für „mass-shootings“ und „hate crimes“ wie in El Paso und Dayton letzte Woche, einführen zu wollen (aber nichts an den Waffengesetzen zu verändern) bin ich froh, dass die EU den Export des Gift-Cocktails verboten hat.

Was war außerhalb des Kongresses besonders interessant?

Kurz vor dem Kongress ereigneten sich die Schießereien in Dayton und El Paso, innerhalb von 24 Stunden wurden 31 Menschen kaltblütig in Massenschiessereien erschossen (zusätzlich zu den vielen, die in diesen 24 Stunden sowieso einem Gewaltverbrechen durch Schusswaffen zum Opfer fielen). Mindestens eines der Attentate war rassistisch motiviert und wurde inzwischen als „Inlands-Terror“ und „Hate crime“ eingestuft, mit der Folge, dass das FBI jetzt ermittelt, welcher direkte Zusammenhang zwischen der rassistisch motivierten Gewaltideologie des Täters, die er in seinem „Manifest“ ausführlich beschrieben hat, und den Äußerungen von Präsident Trump besteht. Der Mörder bezieht sich in seinem „Manifest“ z.B. darauf, dass die von ihm ermordeten „Hispanics“, also Amerikaner mit spanischer Herkunft, eine ethnische und kulturelle Gefahr für die Vereinigten Staaten seien und den „echten“ Amerikanern die Jobs wegnehmen würden. Präsident Trump hat selbst derartige rassistische Gedanken ebenso immer wieder direkt geäußert, die millionenfach über Twitter weiterverbreitet wurden, z.B. in Zusammenhang mit Kritik an seiner Politik schrieb er im Februar „WHAT YOU REALLY SHOULD B ANGRY ABT IS THE INVASION OF MILLIONS OF ILLEGALS TAKING OVER AMERICA! NOT Donald Trump“ oder „it is CRITICAL that we STOP THE INVASION“. Die Debatte im Internet tobte, quasi alle relevanten Hashtags auf „Twitter“ bezogen sich auf Rassismus, Gewalt, und dass trotz der vielen Schießereien der Präsident die waffenrechtlichen Regelungen nicht antasten wird, so dass es nach wie vor kein Problem ist, nicht nur Jagdwaffen, sondern auch halbautomatische Waffen zu bekommen, zu behalten und zu benutzen. Viele Amerikaner*innen haben auch das Recht, Waffen in der Öffentlichkeit mit sich zu führen, ohne diese offen zeigen zu müssen. Wenn man den sozialen Medien folgt, lehnen inzwischen sehr viele Amerikaner*innen das ab und wollen mehr Sicherheit; trotzdem verlieren sie die politische Auseinandersetzung immer wieder. Statt Änderungen am Waffenrecht in Aussicht zu stellen, hat Präsident Trump inzwischen klargestellt, dass er ein Gesetz zur Einführung der Todesstrafe für „Hate crime“ und „Massenschießereien“ vorlegen möchte.

Wie stehen die Amerikaner*innen im Vorwahlkampf zu Präsident Trump?

Ich fand es erstaunlich, dass kein*e einzige*r der Politiker*innen, mit denen ich geredet habe auf dem Kongress und anderswo, auch nur ein einziges gutes Wort über den Präsidenten gesagt hat. Selbst die „Republikaner*innen“ erwähnten ihn von sich aus mit keinem Wort, was ich für einen derart großen Politik-Kongress ein Jahr vor der Wahl nicht erwartet hätte. Auf Nachfrage fallen parteiübergreifend und auch von Nicht-Politiker*innen sehr deutliche Worte, und man erzählte mir überall, welche negativen Auswirkungen seine Präsidentschaft auf das Land habe. Die Zahl der internationalen, zahlungskräftigen Student*innen und Internatsschüler*innen, z.B. aus China, gehe dramatisch zurück, weil Eltern ihr Kind nicht mehr in dieses von Schießereien und Rassismus geprägte Land schicken wollen. Der Handelskrieg mit China würde enorme Absatzprobleme für amerikanische Sojabohnenfarmer*innen bedeuten, wurde mir gesagt, denn z.B. jede dritte Sojabohne in Indiana wurde in den vergangenen Jahren nach China exportiert. Die versprochenen Jobs seien nicht gekommen, auch nicht die versprochene Gesundheitsreform, die besser sein sollte als „Obamacare“. Trotzdem wagte niemand eine Prognose für die nächste Wahl. Ob ein demokratischer Gegenkandidat oder eine demokratische Gegenkandidatin gewinnen kann, wird allgemein bezweifelt. Spannend fand ich die Aussage einer Frau, die sagte, sie sei immer sehr stolz auf ihr System zur Vorauswahl eines geeigneten Präsidentschaftskandidaten gewesen, weil es eben nicht eine reine Vorauswahl innerhalb der „Parteiobersten“ sei, inzwischen aber schäme sie sich dafür, dass dieses System dazu führte, dass Präsident Trump an die Spitze des amerikanischen Staates kam.

Wie sieht es aus mit der Klimapolitik?

Kerstin Celina während eines Redebeitrags auf der NCSL-Konferenz.
Kerstin Celina während eines Redebeitrags auf der NCSL-Konferenz.

Auch dazu gab es eigene Veranstaltungen auf dem Kongress, z.B. zum Thema CO²Reduktion. Viele Bundesstaaten haben bereits eigene Klimaschutzpläne erarbeitet und veröffentlicht und widersprechen damit offen der Politik von Präsident Trump auf diesem Sektor. Die große Macht der einzelnen Bundesstaaten im Vergleich zum Federal Government in Washington kann auch konkrete Auswirkungen haben: wenn z.B. der wirtschaftlich prosperierende und bevölkerungsstarke Staat Kalifornien schärfere Abgaswerte für Autos festlegt als die Regierung von Präsident Trump, müssen Hersteller die kalifornischen Werte erfüllen und den Rest des Landes ebenso nach kalifornischem Standard beliefern, denn zwei Produktionslinien sind nicht rentabel.
Der Klimawandel ist auch spürbar und verursacht schon jetzt enorme Kosten in den USA: in Florida wird z.B. in der Nähe der Küste sehr hoch gebaut, damit sie möglichst lange nicht überflutet werden. In Kalifornien verschärft sich die Wasserknappheit und wirkt damit auch darauf ein, was überhaupt noch angebaut werden kann. Der „Colorado River“ hat immer weniger Wasser, weil die Schneemengen sinken und die Schneeschmelze dementsprechend früher endet im Jahr, was wiederum eine Bedrohung für Landwirtschaft und Energieerzeugung durch Wasserkraft nicht nur in Colorado, sondern auch in Wyoming, Utah und New Mexico bedeutet. In Washington State pflanzt man jetzt Bäume aus Kalifornien, in der Hoffnung, sie vertragen das künftig heißere Klima.
Es gibt auch eine bemerkenswerte, mir bis zu diesem Kongress unbekannte, Organisation in den USA, die sich mit der Verfügbarkeit von sauberen und CO² freier Energie flächendeckend in allen Bundesstaaten beschäftigt, an der große Unternehmen wie Google, Walmart und Disney dabei sind, die „Renewable Energy Buyers Alliance“. Die Zersplitterung des Energiemarktes auf die einzelnen Bundesstaaten in den USA bewirkt, dass der Zugang zu „clean energy“ sehr vom jeweiligen Bundesstaat abhängt, was für die großen Konzerne eine echte Belastung zu sein scheint, denn in manchen Bundesstaaten bekommen sie gar keine erneuerbaren Energien, die ihnen aber doch auch wichtig sind.

Was war sonst noch?

Kerstin Celina vor dem St. Andrews College Sewanee.
Kerstin Celina vor dem St. Andrews College Sewanee.

Nach dem Kongress besuchte ich noch ein wunderschönes kleines College in Tennessee, weil ich mit mehreren Professor*innen reden wollte über einen Austausch von Student*innen. Sewanee College hat etwa 1700 Student*innen, darunter auch einige, die Germanistik als Haupt- oder Nebenfach belegt haben, z.B. in Kombination mit „Environmental Studies“, also Umweltwissenschaften, oder „International Politics“. Welche Fächer man dort an der „University of the South“ in einer der waldreichsten Gegenden der USA , studieren kann, steht hier. Ebenso wie ich am Austausch von Student*innen mithelfen möchte, indem ich z.B. bei der Vermittlung geeigneter Praktikumsplätze in Würzburg und Unterfranken behilflich sein möchte. Ich will auch mit dazu beitragen, dass sich ein Schüler*innenaustausch zwischen St. Andrews Sewanee College mit unterfränkischen Schüler*innen etabliert, deswegen habe ich mir Zeit genommen, auch diese beiden Institutionen zu besuchen.