Inklusion und Teilhabe

Wir wollen gleiche Chancen auch für Menschen mit Behinderung schaffen, so wie es die von Deutschland unterschriebene UN-Behindertenrechtskonvention fordert. Um dahin zu kommen, brauchen wir nicht nur Einzelmaßnahmen, sondern endlich einen verbindlichen und vom Freistaat Bayern initiierten Aktionsplan, dessen Umsetzung von einer unabhängigen Anlauf- und Monitoringstelle kontrolliert wird und für dessen Umsetzung Geld bereitgestellt wird. So fordern wir GRÜNE die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Bayern, um die Chancen für eine inklusive Gesellschaft wirklich zu nutzen.

Konkrete Beispiele: die UN-Behindertenrechtskonvention fordert z.B. Barrierefreiheit, so dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, Diensten, aber auch Transportmitteln erhalten. Hier sehen wir bei der Umsetzung immer noch massive Defizite. In der Realität sind z.B. Alltagssituationen, wie das Einsteigen in Züge bzw. S-Bahn-Waggons für Menschen mit Behinderung nicht leicht zu meistern und führen immer wieder zu Gefahrensituationen. Ein weiteres Beispiel, wie der gesetzgeberische Rahmen auf Bundeslandebene genützt werden kann, ist die Einführung eines Teilhabegeldes für Gehörlose – analog zum Blindengeld. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der UN-Behindertenrechtskonvention fand im Bayerischen Landtag eine Aktuelle Stunde statt, die ich nutzte, um die Defizite der gegenwärtigen Inklusionpolitik in Bayern zu kritisieren.

Komplexeinrichtungen

Wir brauchen viel mehr inklusiven Wohnraum in Bayern, was wir haben ist aber viel separierter Wohnraum in den sogenannten „Komplexeinrichtungen“, also Großeinrichtungen, in denen viele Menschen mit Behinderungen zusammen wohnen und zusammen arbeiten. Inklusiven Wohnraum zu schaffen kostet Geld, Fachexpertise und einen klaren Plan. Den fordere ich für unsere GRÜNE Landtagsfraktion ein. Hier gibt es unser im Februar 2021 eingereichtes Antragspaket für mehr inklusiven Wohnraum und das Protokoll zur Anhörung zum Thema, die wir im Bayerischen Landtag initiiert haben. Die Dezentralisierung großer Behinderteneinrichtungen ist kein Selbstzweck, sondern notwendig, um die freie Entscheidung der Menschen mit Behinderung, wie und wo sie leben wollen, zu ermöglichen. Wir brauchen dazu eine strukturierte, gemeinsame Zusammenarbeit aller Beteiligten, um die Konversion von Komplexeinrichtungen und die Schaffung von inklusivem Wohnraum voranzubringen.

Wahlrecht

Um die Politische Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, haben wir GRÜNE einen Gesetzentwurf eingebracht, der das Wahlgesetz verändern und somit das Wahlrecht für alle einführen will. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) am 21.02.19 zu den verfassungswidrigen Wahlrechtsausschlüssen von betreuten Personen, habe ich den 2017 abgelehnten Gesetzesentwurf mit geringfügigen Änderungen wieder in den Landtag eingebracht. Vor zwei Jahren wollten wir bereits diese verfassungswidrigen Wahlrechtsausschlüsse abschaffen, scheiterten aber an der CSU-Mehrheit. Am 24. 7.2019 wurden mit dem Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften nun endlich die Ausschlüsse vom Landes- und Kommunalwahlrecht aufgehoben. Die Kommunalwahl in diesem Jahr war somit die 1. Wahl in Bayern, bei der jeder Erwachsene, ohne bspw. einen Antrag stellen zu müssen, seine Stimme abgeben konnte. Dies ist enorm wichtig, da nun Menschen mit Behinderung selbst entscheiden können, wer ihre Interessen am besten repräsentiert.

Persönliches Budget

Das Persönliche Budget ist ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe und zur Stärkung der Selbstständigkeit und Autonomie behinderter Menschen. Sie werden durch das Persönliche Budget zu Käufer*innen, Kunden*innen oder Arbeitgeber*innen. Seit Januar 2008 besteht sogar ein individueller Rechtsanspruch, Leistungen der Eingliederungshilfe auch in Form des Persönlichen Budgets in Anspruch nehmen zu können. Trotz dieses individuellen Anspruchs und dem durch die UN-Behindertenrechtskonvention garantierten Wunsch- und Wahlrecht behinderter Menschen, fristet das Persönliche Budget immer noch ein Schattendasein im Gesamtkontext der Eingliederungshilfe. Auch die Verteilung der Leistungsempfänger zwischen den einzelnen Bezirken ist so unterschiedlich, dass von einer flächendeckenden Umsetzung des Persönlichen Budgets in Bayern nicht die Rede sein kann. Ich habe deshalb die Staatsregierung gefragt, wo die Probleme liegen könnten und wie man die regionalen Unterschiede erklären kann.

 Schwerbehindertenausweise

Der Schwerbehindertenausweis ist Voraussetzung dafür, dass behinderte Menschen die ihnen zustehenden Nachteilsausgleiche und Rechte geltend machen können. Ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 können Schwerbehindertenausweise beantragt werden. Zudem gibt es verschiedene Merkzeichen, die die Art der Beeinträchtigung näher bezeichnen. Nachdem sich in einigen Büros der kommunalen Behindertenbeauftragten in letzter Zeit die Beratungsanfragen und Beschwerden im Zusammenhang mit der Beantragung von Schwerbehindertenausweisen gehäuft haben, habe ich nach der Praxis der Vergabe von Schwerbehindertenausweisen und den aktuellen Daten gefragt.

Situation von schwerbehinderten und pflegebedürftigen Gefangenen

Justizvollzugsanstalten sind in der Regel nicht auf die Unterbringung von schwerbehinderten und pflegebedürftigen Gefangenen vorbereitet. Es fehlt an barrierefrei zugänglichen Räumen und Sanitäranlagen, an notwendigen technischen Hilfsmitteln wie Rollstühlen und Pflegebetten sowie an der nötigen persönlichen Assistenz und pflegerischen Hilfen. Trotzdem kommt es in Einzelfällen auch zur Inhaftierung von schwerbehinderten und pflegebedürftigen Menschen. Vor diesem Hintergrund reichten mein Kollege Thomas Gehring und ich eine Schriftliche Anfrage bei der Staatsregierung ein.

 


Gleichberechtigte Teilhabe für Gehörlose und Hörgeschädigte

Ein weiteres Kernanliegen von mir ist die Unterstützung und Inklusion von Gehörlosen und Hörgeschädigten. Die UN-Behindertenrechtskonvention schreibt die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft vor und verpflichtet zu besonderer Förderung von Kindern mit Behinderung. Auch Bayern hat sich dazu verpflichtet.

Sharepic: Teilhabe für alle!

Hörbehinderung ist in erster Linie eine Kommunikationsbehinderung und stellt eine Barriere in der alltäglichen Kommunikation zwischen Menschen dar. Typische behinderungsbedingte Mehraufwendungen werden nicht über bestehende Unterstützungssysteme übernommen. Deshalb gehört die die Einführung eines Gehörlosengeldes als Nachteilsausgleich für gehörlose und schwerhörige Menschen zu meinen langjährigen Forderungen. Abgesehen vom Gehörlosengeld setze ich mich auch für eine bessere Informationsbeschaffung für Menschen mit Hörbehinderung sowie die Verbreitung der Deutschen Gebärdensprache ein. In Deutschland wurde die Deutsche Gebärdensprache im Jahr 2002 durch das Behindertengleichstellungsgesetz anerkannt und seit 2021 ist sie als immaterielles Kulturerbe der UNESCO anerkannt.

Bereits im Jahr 2018 haben wir als GRÜNE Fraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt, der gehörlose Menschen mit hörsehbehinderten Menschen gleichstellen sollte. Mit zahlreichen Anträgen forderte ich die Staatsregierung immer wieder auf, eine dauerhafte und chancenausgleichende Leistung zu schaffen, die eine gleichberechtigte Teilhabe für gehörlose und schwerhörige Menschen gemäß den verpflichtenden Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention ermöglicht.

Immer noch gibt es zahlreiche Barrieren, die Gehörlose und Menschen mit starker Höreinschränkung in ihrem Alltag einengen. Dazu zählen auch die hohen finanziellen Ausgaben, die mit einer Hörbehinderung einhergehen. So müssen Gebärdendolmetscher*innen oder etwaige Hilfsmittel zur Verständigung aus eigener Tasche gezahlt werden – sei es bei der Beratung in der Bank, bei dem Elternabend vom Kind, oder beim Termin mit Handwerker*innen. Es kann nicht sein, dass beispielsweise hörende Kinder aus Geldmangel für ihre gehörlosen Eltern bei offiziellen Terminen dolmetschen müssen, oder sich Menschen mit Hörbehinderung keinen potenziell lebensrettenden optischen Rauchmelder leisten können.

Ich fordere deswegen, dass die Ausschließung und Einschränkung von hörgeschädigten Menschen im alltäglichen Leben ein Ende haben. Inklusion soll nicht nur eine Illusion bleiben, sondern gelebte Realität sein!

Deswegen unterstütze ich die im November 2019 eingereichte Petition zur Einführung eines Gehörlosengeldes. Über 12.000 Personen fordern hierbei eine monatliche Ausgleichszahlung, ähnlich dem bereits existierenden Blindengeld. Eine Antwort auf die Petition, die an die Sozialministerin überreicht wurde, steht noch aus.

Wir Grünen richteten einen Antrag an die Bayerische Staatsregierung, mit dem wir den Forderungen des Petenten Nachdruck verleihen wollen. Im Februar 2020 diskutierten wir dann die Frage über die Einführung eines Gehörlosengeldes im Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie. Leider wurde unser Antrag, obwohl Expert*innen in einem Fachgespräch ausdrücklich für eine Zustimmung plädierten, von den Regierungsparteien abgelehnt. Ich war wirklich enttäuscht – auch weil die Regierungsfraktionen zuvor eigentlich Unterstützung signalisiert haben. CSU und Freie Wähler zeigen somit, dass sie es mit einer gleichberechtigten Teilhabe von behinderten Menschen an der Gesellschaft nicht ernst meinen.

Umfassendes Antragspaket zur Teilhabe gehörloser Menschen

Ich habe im März 2020 eine schriftliche Anfrage mit dem Thema der Teilhabe gehörloser Menschen in Bayern an die Landesregierung gestellt, um mich gezielt für Bereiche einsetzen zu können, in denen die Politik Menschen mit Hörbehinderung stärker unterstützen sollte. Daraus ist ein umfassendes Antragspaket entstanden.

Auch um einen Schritt in die richtige Richtung zu machen und ein Signal zu senden, nutzten wir im November 2020 im Ausschuss für Arbeit, Soziales, Jugend und Familie einen Gebärdensprachdolmetscher, sodass jede*r die Möglichkeit hatte, im livestream die Debatte unserer fünf Anträge mit zu verfolgen. Um im Vorfeld auf unser Antragspaket zum Gehörlosengeld aufmerksam zu machen, kündigte der Landesverband Bayern der Gehörlosen e.V. mithilfe eines Videos die Debatte im Ausschuss an.

Unsere Forderungen in Kürze: Wir möchten ein Gehörlosengeld einführen und als dauerhafte Leistung in Bayern verankern. Wir fordern zudem eine stärkere Förderung von Gebärdensprach- und Schriftdolmetscher*innen sowie Lehrer*innen an Förderzentren. Diese sollten Gebärdensprache mindestens auf dem Sprachniveau B2 beherrschen. Uns ist es ebenfalls ein Anliegen, die deutsche Gebärdensprache an Regelschulen zu stärken und schlagen deshalb Gebärdensprache als Wahlfach vor.

Mit dem Online-Portal Deafservice habe ich in einem Interview über unsere Anträge und unsere Grünen Forderungen gesprochen.

Die Anträge scheiterten im Sozialausschuss am Widerstand von CSU und Freien Wählern. Da mir aber das Thema Gehörlosengeld besonders wichtig ist, habe ich eine Aussprache im Plenum beantragt. Nach Monaten der Wartezeit stand der Antrag auf der Tagesordnung der Plenarsitzung am 6. Juli 2021.

Zentrale Forderung: Die Staatsregierung soll ihrem Versprechen endlich nachkommen und ein Konzept für ein Bayerisches Gehörlosengeld vorzulegen und rechtzeitig zum nächsten Haushalt umzusetzen. Die Plenardebatte kann hier gesehen werden.


Anlässlich des Tags der Menschen mit Behinderung hat auch Holger Kiesel, der Behindertenbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, am 5.5.2022 ein bayerisches Gehörlosengeld gefordert. Hier das Video.

Der VDK unterstützt ebenfalls wie ich eine Resolution des Netzwerks Hörbehinderung.


2022: Einmalzahlung anstatt Gehörlosengeld

Wie schon in den Jahren zuvor, haben wir Grüne in den Haushaltsberatungen im Jahr 2022 wieder Geld für die Einführung einer regelmäßigen Zahlung eines Gehörlosengeldes gefordert. Die Reaktion der Regierungsfraktionen: Gehörlose konnten einmalig 145 € beantragen.

Mehr als die Hälfte der gehörlosen und schwer hörbehinderten Menschen in Bayern sind aber von dieser Einmalzahlung ausgeschlossen. Das geht aus der Antwort auf unsere Anfrage hervor. Das ist ein Schlag ins Gesicht für viele Betroffene in Bayern, die Staatsregierung hat die Gruppe, die die Zahlung bekommt, falsch und nur nach dem Kriterium der Kostenersparnis ausgewählt. Das ist beschämend. Fair wäre ein Gehörlosengeld für gehörlose und besonders schwerhörigen Menschen, wie wir es seit Jahren fordern!

In Bayern leben etwa 20.000 Menschen mit einem beidseitigen Hörverlust von mindestens 80 Prozent. Doch nur 9.472 dieser Personen bekommen 145 Euro. Der Grund ist, dass die Söder-Regierung die Auszahlung an das Merkzeichen „Gehörlosigkeit – Gl“ im Schwerbehindertenausweis gekoppelt hat und nicht an die Höhe des Hörverlusts. Damit werden 10.000 Menschen, die ähnlich stark beeinträchtigt sind, von der Zahlung ausgesperrt. Dazu kommt, dass die Informationen zu der Berechtigung für diese Einmalzahlung auf der Seite des ZBFS (Zentrum Bayern Familie und Soziales) nur schriftlich vermittelt werden – es fehlt ein Video in Gebärdensprache. Dies unterstreicht die Ignoranz der Staatsregierung.


Haushalt 2023

Wieder ist im Haushaltplan für das Jahr 2023 kein Gehörlosengeld eingestellt, der dauerhafte Chancenausgleich für hörbeeinträchtigte Menschen wird von der Staatsregierung bewusst ignoriert. Unser Antrag wurde in der namentlichen Abstimmung abgelehnt.


Barrierefreie Kommunikation und Gebärdensprache

Abgesehen vom Gehörlosengeld setze ich mich auch für eine bessere Informationsbeschaffung für Menschen mit Hörbehinderung ein. Gerade in Anbetracht der Corona-Krise kann man die Kommunikationsbarrieren, die zwischen Hörenden und nicht-Hörenden noch immer existieren, deutlich erkennen. So dauerte es bis Mitte bzw. Ende März 2020, bis bei den Pressekonferenzen der Bundesregierung und des Robert-Koch-Instituts Gebärdendolmetscher*innen anwesend waren und sie live im Fernsehen übertragen wurden. Bei der Bayerischen Staatsregierung gibt es bis heute nur eine Übersetzung der Pressekonferenz in Gebärdensprache per livestream. Damit wird vor allem gehörlosen Senior*innen der Zugang zu wichtigen Informationen verwehrt, obwohl gerade sie am gefährdetsten sind.  Wir Grünen haben deswegen sowohl einen Offenen Brief als auch einen Antrag an die Bayerische Staatsregierung gestellt, in denen wir fordern, dass Pressekonferenzen der Staatsregierung live in Gebärdensprache übersetzt werden sollen. So können gehörlose Menschen unmittelbar und in Echtzeit die nötigen Informationen erhalten, um aufgeklärt zu sein und sich schützen zu können.

GRÜNER ERFOLG: In unserem Dringlichkeitsantrag im Januar 2021 haben wir eine inklusive Impfkampagne gefordert, u.a. mit Kostenübernahme für Gebärdensprachdolmetscher*innen. Der Antrag wurde abgelehnt, aber am 23. Februar wurde bekannt, dass diese Kosten bei der Corona-Impfung übernommen werden.

Meinem Antrag „Barrierefreie Kommunikation beim ZBFS konsequent umsetzen – Inhalte in Gebärdensprache und Leichter Sprache bereitstellen“ ist im November 2022 zumindest in der geänderten Fassung zu einem Berichtsantrag zugestimmt worden.

Deutsche Gebärdensprache (DGS) in der Schule

Mit Inkrafttreten des Behindertengleichstellungsgesetzes im Jahr 2002 ist die DGS als
eigenständige und vollwertige Sprache anerkannt. Zudem wird das Recht auf Anerkennung und Unterstützung der Sprache und Kultur der gehörlosen Menschen in Art. 30 der UN-Behindertenrechtskonvention festgehalten. Deutschland und auch Bayern hat sich diesen Zielen verpflichtet.

Im Antrag vom November 2021 ordere ich die Staatsregierung auf, die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz im Oktober 2021 aufzugreifen und ein länderspezifisches Curriculum für die Sekundarstufe I in Bayern zu konzipieren, die Lehrbefähigung für das Wahlpflichtfach „Deutsche Gebärdensprache“ den staatlich anerkannten Gebärdensprachdozent*innen zu erteilen und das Unterrichtsangebot durch Förderzuschüsse des Freistaates abzusichern.