Anfang des Jahres 2025 wurde der neu besetzte US-Kongress konstituiert, am 6. Januar jährte sich der Sturm auf das Kapitol zum vierten Mal und der Wahlsieg des neugewählten US-Präsident Donald Trump wurde durch den Kongress bestätigt. Zudem wurde mit einer Trauerfeier Abschied vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter genommen, der im Alter von 100 Jahren verstarb. Das sind nur einige Nachrichten, die mich an meine letzte Delegationsreise erinnern, die mich in die Vereinigten Staaten führte, um vor Ort die Endphase des Wahlkampfes sowie die Wahl selbst am 5. November 2024 zu beobachten.
Die Delegationsreise vom 30.10. bis 6.11.2024 versammelte Mitglieder der Landtage und Bürgerschaften aus verschiedenen Fraktionen und Bundesländern. Organisiert wurde die Reise von Partnership of Parliaments (Partnerschaft der Parlamente, PdP) in Atlanta in Zusammenarbeit mit dem Institute for International Cooperation des NCSL (National Conference of State Legislatures). Der bayerische Landtag ist Kooperationspartner sowohl der NCSL als auch der PdP.
Zum Programm gehörte unter anderem Besuch des Parlaments (State Legislature) von Georgia mit Führung durch das Capitol sowie zahlreiche Gespräche u.a. mit Abgeordneten, den Mitgliedern der Wahlkampfteams und Journalistinnen des lokalen Fernsehsenders. Besuche des Jimmy Carter Presidential Centers, des Polizeipräsidiums Atlantas sowie die Teilnahme an den Wahlpartys beider Parteien, standen ebenfalls auf dem Programm. Ein Highlight war sicherlich die „Rally“, der Wahlkampfauftritt der Vize-Präsidentin Kamala Harris, auch wenn sie den ursprünglichen Plan, an diesem Tag in einem Wahlkreis außerhalb Atlantas am „Canvassing“ teilzunehmen, also die Stimmenwerbung im Haustürwahlkampf hautnah zu erleben, durcheinanderbrachte.



New York

Bevor ich aber auf die anderen Delegierten in Atlanta traf, hatte ich die Gelegenheit meinen ehemaligen Praktikanten Aidan in seiner Heimatstadt Ney York zu treffen. Er absolviert mittlerweile an der New York University sein Masterstudium.
Bereits in New York konnte ich feststellen, wie unterschiedlich doch die Wahlkämpfe bei uns in Deutschland im Vergleich zu den Staaten sind. Zuallererst sieht man keine Plakate – außer mal eine Wahlwerbung auf den riesigen Screens des Times Square oder einzelne Personen, die für den einen oder die andere Präsidentschaftskandidatin werben. So auch eine Frau, die verschiedene Buttons im Washingtoner Park verkaufte.
Aber als Trump seinen Auftritt im Madison Square Park hatte, verwandelten sich die Straßen um den Veranstaltungsort in ein reines Wahlkampfcamp. Verkaufsstände mit verschiedenen Artikeln, wie T-Shirts und Kappen mit dem Konterfei und Slogan der Trump-Kampagne reihten sich auf den Straßen; Anhänger mit Plakaten und Fahnen versammelten sich weitläufig und da nicht alle Platz fanden bzw. keine Eintrittskarte bekamen, waren auch die Pubs rund um das Gebäude voll mit Menschen, die die Wahlkampfveranstaltung im Fernseher verfolgten.




Atlanta/Georgia
Auch in Atlanta, der Hauptstadt des Bundesstaates Georgia war es ein ähnliches Bild, aber doch mit feinen Unterschieden. Ich war sehr froh, dass uns die Delegationsreise nach Atlanta führte. Atlanta ist für einiges bekannt, aber für mich bedeutender als die Tatsachen, dass die Stadt das Coca Cola-Headquarter beherbergt, ein landesweit berühmtes Aquarium besitzt und Austragungsort der Olympischen Spiele 1996 war, sind die politischen Wurzeln des Kampfes gegen Rassismus und Diskriminierung. Und da strahlt eine Persönlichkeit hervor, Martin Luther King, Jr., dessen Wirken in seiner Geburtsstadt und weit darüber hinaus äußerst eindrucksvoll im Human Right Center dargestellt wird. In dem sehr modernen, pädagogisch gut gestaltenten Ausstellungszentrum wird deutlich, wie tief verankert die Segregation/Rassentrennung in der amerikanischen Gesellschaft war und wieviel Mut Menschen aufbrachten für den Kampf gegen Diskriminierung, für Menschenrechte und Gleichberechtigung.




Atlanta war auch die politische Wirkungsstätte Jimmy Carters. Er war von 1977 bis 1981 der 39. Präsident der Vereinigten Staaten und zuvor von 1971 bis 1975 Gouverneur von Georgia sowie Senator in Georgia (1963 bis 1967). Das Jimmy Carter Presidential Center beherbergt nicht nur ein Museum und eine Bibliothek, sondern ist auch Sitz der Stiftung, die sich weltweit für die Durchsetzung von Menschenrechten einsetzt.
„Ich habe die Menschenrechte zur Grundlage meiner Außenpolitik gemacht.“ – Jimmy Carter
Georgia State Capitol
Bei der Führung durch das Georgia State Capitol zusammen mit einem ehemaligen Senator der Republikanischen Partei, trafen wir auf einen anderen republikanischen Politiker, der seine Bekanntheit einem Anruf zu verdanken hat: Secretary of State, vergleichbar mit Innenminister und damit auch Wahlaufseher, Brad Raffensperger.
In Kurzform der Hintergrund
Donald Trump bezeichnete das knappe Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl am 3. November 2020 als Betrug: er hatte 11.779 Stimmen weniger als Joe Biden. Raffensperger ordnete zwei Nachzählungen an, wurde aber weiterhin unter Druck gesetzt. Trotzdem bestätigte Raffensperger am 20. November formell den Wahlsieg Bidens in Georgia. Am 2. Januar 2021 rief Präsident Trump selbst Raffensperger mit dem Ansinnen an, er möge „11.780 Stimmen“ für die Republikanische Partei „finden“ und das Ergebnis zu seinen Gunsten nachträglich „nachberechnen“.
Auch aufgrund dieser Erfahrung waren die Vorbereitungen für die Wahl 2024 enorm intensiv, die Polizei war am Wahltag an jedem einzelnen Wahllokal präsent und plante insgesamt zehnmal soviel Personal ein wie üblich, um die Personen zu schützen, die bei nachträglichen Auszählungen und Gerichtsverhandlungen präsent sein würden.


Kirchenbesuch
Nicht nur Wahlkämpfe sind anders, auch der Besuch einer Messe kann erstaunen. Nun waren wir nicht in irgendeiner Kirche, sondern der Ebenezer Baptist Church. Und staunten, wie politisch eine Messe sein kann – vielleicht nicht verwunderlich, wenn die Messe in der ehemaligen Kirche Martin Luther Kings stattfindet und der aktuelle Reverend Dr. Raphael Warnock Georgia im US-Senat repräsentiert.

Election Day
In Georgia fand das early voting in den Wochen vor der Wahl statt – der Andrang in den Wahllokalen der Stadt war nicht sehr groß. Aber die Sorge vor Ausschreitungen war groß und es wurden, wie oben genannt, zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen – so hörten wir es auch im Gespräch im Polizeipräsidium.



Das Ergebnis ist bekannt, am 20. Januar 2025 fand die Inauguration Donald Trumps als 47. Präsident statt. Trump hat diese Wahl mit mehr Stimmen gewonnen als beim letzten Mal. Trotzdem war die Stimmung bei beiden Wahlparties weniger aufgeregt als 2016, als ich ebenfalls mit PdP in den USA unterwegs war, um die Präsidentenwahl zu beobachten. Im Gespräch mit Republikaner*innen und Demokrat*innen wurde viel Vertrauen in die amerikanische Demokratie geäußert. Ein häufig geäußerter Satz war: „Auch Trump kann nicht machen, was er will.“ Eines wurde in den Gesprächen deutlich: die Wahl am 5. November umfasst viel mehr als die Entscheidung zwischen Harris und Trump. Es werden Mitglieder des Repräsentantenhauses und in einigen Staaten des Senates sowie Gouverneur*innen gewählt; es gibt Bürgerentscheide über Verfassungszusätze der Landesverfassungen; auch werden hochrangige Positionen in der Staatsanwaltschaft und den Sicherheitsbehörden besetzt. Das föderale System der USA gibt den Staaten viel Entscheidungsfreiheit, so dass die Besetzung dieser Positionen und Richtungsentscheidungen den Menschen vor Ort mindestens so wichtig sind wie Entscheidung, wer sie USA an der Spitze vertritt.
Insgesamt war es ein hervorragender Einblick in das politische und gesellschaftliche Geschehen in zwei völlig verschiedene Regionen der USA und ich danke PdP für die Organisation.





