Frage 1: Welches sind aus Ihrer Sicht die drei größten Herausforderungen, denen Europa und die Europäische Union ausgesetzt sind? Mit welchen konkreten Maßnahmen oder Vorschlägen will Ihre Partei diesen begegnen?

Die „Eurokrise“, der „Brexit“ und die Verweigerung einiger Länder in der Europäischen Union, sich aktiv an derIntegration von Flüchtlingen zu beteiligen, stellen derzeit die größten Herausforderungen für die – einstige – Wertegemeinschaft dar. Gelingt es nicht, hier zeitnah gemeinsame Lösungen zu finden, werden sowohl bisherige Erfolge auf den Gebieten der Friedenssicherung und Rechtsstaatlichkeit gefährdet und weitere dringende Probleme gar nicht erst nicht angegangen. Dazu zählt der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in und außerhalb von Europa, die Erhaltung und Schaffung von Frieden und die Bekämpfung der Klimakatastrophe.

Um dies zu erreichen, setzen die GRÜNEN auf verschiedene Maßnahmen, die die EU hin zu einer demokratischeren, sozialeren und umweltbewussteren Union weiterentwickeln.

–        Gemeinsame Stimme für Europa

Weltweite Probleme wie Umwelt- und Klimaschutz kann man genauso wenig mit Kleinstaaterei begegnen wie der international verflechteten Weltwirtschaft. Die Stimme Europas wird sich besser Gehör verschaffen können, wenn die Staatengemeinschaft geschlossen auftritt. Wir wollen deswegen eine wirklich gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik.

–        Mehr Bürgerbeteiligung in Europa

Unsere Strategie für mehr Demokratie in der EU setzt auf eine starke Allianz der Parlamente aller Ebenen – und auf die aktive Einmischung der Europäerinnen und Europäer. Wir wollen deswegen die bestehende Europäische Bürgerinitiative weiter stärken und setzen uns mittelfristig für einen europäischen Volksentscheid ein. Bei der institutionellen Weiterentwicklung bauen wir auf einen öffentlichen Europäischen Konvent zur Zukunft der EU.

–        Europa sichert unseren Wohlstand

Ein starkes Europa ist im deutschen Interesse, denn gerade unser Land profitiert von der europäischen Integration. Schließlich gehen 60 Prozent der deutschen Exporte in EU-Mitgliedsländer. Ohne die Stärke des Binnenmarktes wäre die deutsche Wettbewerbsfähigkeit international kaum zu sichern. All das wird durch antieuropäische Politik aufs Spiel gesetzt. Notwendig ist eine stärkere Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wir GRÜNE werben für ein europäisches Deutschland innerhalb einer Wirtschafts- und Solidarunion.

–        EU-Erweiterung

Die Erweiterungspolitik der Europäischen Union ist eine Erfolgsgeschichte – auch wenn in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden. Der Beitritt jedes einzelnen Landes muss von dem konkreten Fortschritt im Beitrittsprozess abhängig gemacht werden. Damit ist die Erweiterungspolitik ein konkretes Instrument für

  • Frieden und Stabilität,
  • Rechtsstaatlichkeit,
  • Freiheitsrechte,
  • Demokratie,
  • Sozialstandards und
  • Umweltschutz auf dem Kontinent Europa.

Für uns ist die EU-Erweiterung daher nicht abgeschlossen. Wir wollen Beitrittsperspektiven für den Westbalkan aufrechterhalten.

–        Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 hat Recep Tayyip Erdogan gegen seine innenpolitischen Gegner eine massive Repressionswelle in Gang gesetzt. Tausende Menschen wurden verhaftet, Angestellte im öffentlichen Dienst wurden entlassen, Lehrern und Lehrerinnen wurde die Lehrbefähigung entzogen, Schulen und andere Einrichtungen wurden geschlossen. Richter, Polizisten und Angestellte des Innenministeriums wurden suspendiert, Reisepässe vor allem von Staatsbediensteten wurden für ungültig erklärt. Per Dekret wurden zudem Zeitungen, Fernsehsender, Nachrichtenagenturen, Radiosender, Zeitschriften und Verlagshäuser geschlossen sowie zahlreiche Journalisten verhaftet.

Es ist klar, dass es angesichts der derzeitigen Situation keine Eröffnung neuer Verhandlungskapitel geben kann, sondern die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union auf Eis gelegt werden müssen. Ein völliger Abbruch würde jedoch all denjenigen demokratischen und zivilgesellschaftlichen Kräften in der Türkei in den Rücken fallen, die unter den jetzigen Repressionen zu leiden haben und für die die Beitrittsperspektive zur EU immer schon mit dem Wunsch nach einer Festigung und Erweiterung der Demokratie innerhalb der Türkei verbunden war. Für eine demokratische und rechtsstaatliche Türkei sollten die Türen in die EU immer klar offen stehen.

Weiter zu Frage 2.